Ägypten  6.2 Wahlen
Erstmalig in der Geschichte des Landes waren nach einer Verfassungsreform mehrere Bewerber für das Präsidentenamt zugelassen. Was Präsident Mubarak als Meilenstein in dem unter dem Druck der USA eingeleiteten Reform- und Demokratisierungsprozess bezeichnet hatte, war von der Opposition scharf kritisiert worden, da die Novelle der herrschenden NDP Mubaraks faktisch eine Monopolstellung einräumte. Gleichzeitig deutete sich im Wahlkampf ein Paradigmenwechsel an: Nach einem Vierteljahrhundert der Herrschaft Mubaraks stellte ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung offen seine Politik der harten Hand und seine stets mit militärischen, nie mit argumentativ-politischen Mitteln geführte Auseinandersetzung mit dem Islamismus in Frage. Am 18. Juli 2005 rief ein breites Oppositionsbündnis aus so unterschiedlichen Fraktionen wie der Muslim-Bruderschaft, der Wafd-Partei und der Bewegung Kifaya (Genug) zum Boykott der Wahlen auf. Prominente potenzielle Kandidaten wie die Frauenrechtlerin Nawal Saadawi und der Menschenrechtsaktivist Saadeddin Ibrahim zogen ihre Bewerbung für die Präsidentschaftswahl zurück. Der Kandidat der erst im November 2004 gegründeten liberalen Al-Ghad-(Morgen) Partei, Aiman Nour, trat jedoch bei der Wahl an. Gegen ihn war Ende Juni ein Prozess wegen angeblicher Fälschung von Wahlunterlagen eröffnet worden.
Nachdem Mubarak am 28. Juli 2005 seine erneute Kandidatur bekannt gegeben hatte, protestierten am 30. und 31. Juli in der Kairoer Innenstadt Hunderte Oppositionsanhänger gegen dessen Politik, begleitet vom gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten; rund 20 Personen wurden festgenommen. Bei der Wahl am 7. September wurde Mubarak mit 88,6 % der Stimmen im Amt bestätigt. Sein schärfster Konkurrent unter den insgesamt neun Gegenkandidaten, Aiman Nour, kam lediglich auf 7,6 %. Die Wahlbeteiligung wurde mit 23 % angegeben. Kritikern zufolge waren die Wahlen, zu denen keine offiziellen internationalen Beobachter zugelassen waren, von schweren Unregelmäßigkeiten begleitet. Bei den vom 9. November bis 7. Dezember 2005 in drei Runden stattfindenden Wahlen zum Rat des Volkes konnte die Opposition massive Gewinne verbuchen. Insgesamt erhielt das Bündnis knapp 100 der insgesamt 440 Sitze. Nachdem sich bereits nach den ersten Wahlrunden ein Erstarken der Muslim-Brüder abgezeichnet hatte, war die letzte Runde überschattet von gewaltsamen Versuchen der Sicherheitskräfte, deren Anhänger am Betreten der Wahllokale zu hindern; dabei wurden 12 Menschen getötet. Der Erfolg der Muslim-Brüder ist vor allem auf ihr soziales Engagement in den Kairoer Armenvierteln zurückzuführen, was von der NDP geduldet wird. Im von Mubarak am 1. Januar 2006 ernannten neuen Kabinett blieben die Schlüsselpositionen unverändert.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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