Indien  9.5 Industrie
Während der Kolonialherrschaft wurde die Entwicklung der Industrie – mit Ausnahme der schon frühzeitig bedeutsamen Textilindustrie – eher gehemmt denn gefördert. Nach der Unabhängigkeit forcierte man daher besonders den Ausbau von kapitalintensiven Schlüsselindustrien. Dazu gehörten Stahl-, Maschinen- und chemische Industrie. Die Konsumgüterherstellung wurde vernachlässigt und sollte durch Kleinindustrie gedeckt werden. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, setzte man nach dem Vorbild der Sowjetunion auf den Ausbau der Schlüsselindustrien durch den Staat mittels Fünfjahresplänen. 2001 waren 21,9 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung im Industriebereich tätig. Die Wertschöpfung der Industrie betrug 2004 nach Weltbankangaben 27 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ein Wachstumsmotor im Industriebereich sind die Deregulierungen auf den Energie-, Chemie- und Rohstoffmärkten. Wachstumsimpulse kommen auch von der rasch steigenden Inlandsnachfrage nach langlebigen Konsumgütern.
Die Textilindustrie zählt dank der riesigen Inlandsnachfrage und der Produktion für den Export auch heute noch zu den größten und wichtigsten Wirtschaftszweigen Indiens. Leder wird sowohl industriell als auch handwerklich in großen Mengen hergestellt und verarbeitet. Da Hindus die Berührung und Verwertung von Tierkadavern als unreine Arbeit ansehen, sind die meisten Angestellten der Lederbranche Muslime oder „Unberührbare“. Neben diesen eher traditionellen Industrien dominieren die Eisen- und Stahlerzeugung, Maschinen-, Kraftfahrzeug- und chemische Industrie. Unter ihnen ist der staatliche Anteil besonders hoch. Allerdings nimmt der Anteil privater Betriebe seit der Liberalisierung der Wirtschaft in den 1980er und vor allem frühen 90er Jahren zu. Die indische Pharmaindustrie gehört zu den größten und fortgeschrittensten unter den Entwicklungsländern. Wegen der indischen Patentschutzgesetzgebung, der Arzneimittel nur bedingt unterlagen, kam es immer wieder zu Streitigkeiten mit den Industrienationen, allen voran den USA. Mittlerweile hat Indien seine Patentgesetze angepasst. Ein wichtiger Träger des wirtschaftlichen Aufschwunges der letzten Jahre ist die Informationstechnologiebranche, die teils dem industriellen, teils dem Dienstleistungssektor zuzurechnen ist. Vor allem der Softwarebereich hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Viele indische Städte verfügen inzwischen über „Softwareparks“. Auch die Herstellung von Hardware erlebt einen rasanten Aufschwung. Mit zweistelligen jährlichen Wachstumsraten gewinnt auch die Biotechnologie an Bedeutung.
Die industrielle Produktion konzentriert sich auf wenige städtische Großräume. Die wichtigsten Industriezonen sind die Ballungsgebiete Mumbai-Pune, Ahmedabad-Vadodara-Surat, Delhi, Kanpur-Lakhnau, Chennai, Kolkata-Asansol sowie der Punjab und der Osten Jharkhands.
Die Hochtechnologie ist vor allem im Süden des Landes angesiedelt: Das Zentrum der Informationstechnologiebranche ist Bangalore, als neues Wachstumszentrum der Biotechnologie hat sich Hyderabad etabliert, besonders mit der Gründung des Biotechnologiezentrums Genome Valley.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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