Niederlande  5 Geschichte
Nach der Aufteilung des Frankenreiches gehörten die niederen Lande zum ostfränkischen Königreich (Regnum Teutonicae) und danach zum Heiligen Römischen Reich. Unter Kaiser Karl V., der zugleich spanischer König war, war das Land in siebzehn Provinzen aufgeteilt und umfasste auch Belgien (mit Ausnahme des Fürstbistums Lüttich) und Teile Nordfrankreichs und Westdeutschlands. Am 15./16. Juli 1572 kamen Repräsentanten der meisten Städte der Niederlande in Dordrecht (im Gebäude „Het Hof“) zusammen und beschlossen ihre Unabhängigkeit von Spanien. Sie machten Wilhelm von Oranien zu ihrem Führer. Neueren historischen Forschungen zufolge gilt diese Dordrechter Ständeversammlung als eine wesentliche Keimzelle von verfassungstextlich und politisch wirksamen Grundrechten in der Neuzeit. Nach der endgültigen Unabhängigkeitserklärung der sieben nördlichen Provinzen (Allianz von Utrecht) vom 23. Januar 1579 und dem folgenden Achtzigjährigen Krieg gegen die spanischen Habsburger wurde die formelle Unabhängigkeit von Spanien im Frieden von Münster als Teil des Westfälischen Friedens am 15. Mai 1648 besiegelt, der, gleichzeitig mit der Schweiz, zur Trennung vom mittelalterlichen Deutschen Reich führte. Dieses Datum gilt als Geburtstag der heutigen Niederlande.
In der Folge wuchsen die Niederlande bzw. die so genannten niederen deutschen Lande („de nederen duitsche landen”) als Republik der Vereinigten Niederlande, zu einer der größten See- und Wirtschaftsmächte des 17. Jahrhunderts. Während dieser Zeit wurden Kolonien und Handelsposten auf der ganzen Welt errichtet. Bekannt ist die Gründung von Neu Amsterdam (Nieuw Amsterdam), welches später in New York umbenannt wurde. In Asien schufen die Niederländer ihr Kolonialreich Niederländisch-Indien ('Nederlands-Indië'), das heutige Indonesien, welches im Dezember 1949 unabhängig wurde. Auch im nordöstlichen Südamerika (Suriname) und der Karibik entstanden die niederländischen Kolonien Aruba, Bonaire, Curaçao, Saba, Sint Eustatius und Sint Maarten; diese Inseln, Aruba und die Niederländischen Antillen (die fünf übrigen Inseln), sind heute autonomer Teil der niederländischen Monarchie (Königreich). Deswegen besteht das Königreich der Niederlande („Koninkrijk der Nederlanden“) offiziell aus drei Teilen: die Niederlande, Aruba und die Niederländischen Antillen.
1796 wurde mit französischer Unterstützung die Batavische Republik gegründet (benannt nach dem germanischen Stamm der Bataver, der das Gebiet zwischen Rhein und Maas zuerst besiedelt hatte; 1806 machte Napoleon daraus das Königreich Holland.
Nach der Einverleibung durch Frankreich unter Napoleon I. wurde 1815 das Königreich der Niederlande gegründet, das auch das heutige Belgien umfasste. Erster König wurde Wilhelm I. aus dem Haus Oranien-Nassau. Belgien und damit das niederfränkische Flandern erlangte nach der belgischen Revolution von 1830 seine Unabhängigkeit, die allerdings erst 1839 von Wilhelm I. anerkannt wurde.
Der niederländische König war gleichzeitig Großherzog von Luxemburg, wo die Lex Salica kein weibliches Staatsoberhaupt zuließ. Als Wilhelm III. bei seinem Tod 1890 nur eine Tochter (Königin Wilhelmina) hinterließ, ging der Luxemburger Thron auf eine andere Erbfolgelinie im Haus Nassau über und Wilhelms Vetter Adolf von Nassau übernahm dort die Regierung.
Die Niederlande blieben im Ersten Weltkrieg offiziell neutral und konnten sich auch erfolgreich aus dem Krieg heraushalten. Sie hielten ihre Truppen aber dennoch bis zum Kriegsende mobilisiert und hatten überdies mit einer großen Flüchtlingswelle aus dem vom Deutschen Reich besetzten Belgien zu tun. Nach dem Ersten Weltkrieg gewährten die Niederlande dem bisherigen Deutschen Kaiser Wilhelm II. Exil.
Auch im Zweiten Weltkrieg versuchte die niederländische Regierung zunächst, sich neutral zu verhalten. Hitler jedoch befahl die Okkupation der Niederlande, um so Frankreich unter Umgehung der „Maginot-Linie“ von Norden her einnehmen zu können. Nach dreitägigem Kampf zwangen die deutschen Truppen am Abend des 14. Mai 1940 die Niederlande zur Aufgabe. Ausschlaggebend war hierfür das verheerende Bombardement von Rotterdam sowie die Androhung eines weiteren Angriffes auf das ebenfalls zäh verteidigte Utrecht. Die königliche Familie war zu diesem Zeitpunkt schon nach England geflohen. Das Land wurde von da an von der Wehrmacht besetzt gehalten. Die Nationaal-Socialistische Beweging (NSB) unter Anton Adriaan Mussert arbeitete mit den deutschen Besatzungstruppen zusammen, erlangte aber keinen relevanten Einfluss in der Bevölkerung oder im Besatzungsapparat. Jedoch stellten die Niederlande mit 60.000 Freiwilligen das größte Kontingent an ausländischen Freiwilligen in der Waffen-SS. Nach der Invasion kam es zur Judenverfolgung durch die deutschen Besatzer. Der Februarstreik 1941 gegen die Deportationen wurde blutig niedergeschlagen. Von den zu Beginn des Krieges 160.000 jüdischen Niederländern und 20.000 jüdischen Flüchtlingen lebten am Ende des Krieges nur noch etwa 30.000. Symbol für die Judenverfolgung ist der Fall der Anne Frank. Auch Jenische, Sinti und Roma aus den Niederlanden wurden in die KZ deportiert.
Am 11. Januar 1942 begann die japanische Invasion von Niederländisch Ostindien. Die Niederländer kapitulierten am 1. März 1942. Der südliche Teil der Niederlande wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 von den vorrückenden Alliierten befreit; der Norden des Landes erst durch das Kriegsende. Sofort nach der Befreiung Niederländisch-Ostindiens von japanischer Besatzung am 17. August 1945 erklärte die niederländische Kolonie ihre Unabhängigkeit und nannte sich fortan Indonesien. Erst nach blutigen Kämpfen mit niederländischen Truppen wurde Indonesien am 27. Dezember 1949 formal unabhängig.
Von 1949 bis 1963 waren westdeutsche Gemeinden aus dem Landkreis Geilenkirchen-Heinsberg (Selfkant) und die Gemeinde Elten (bei Emmerich) unter niederländische Verwaltung gestellt. Bestrebungen der Niederländischen Regierung, Teile Niedersachsens sowie des westlichen Münster- und Rheinlandes an die Niederlande anzugliedern (Bakker-Schut-Plan), hatten sich nicht durchsetzen können. 1952 gründeten die Niederlande mit Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien und Luxemburg die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (und damit die spätere Europäische Union). Sie waren ebenfalls Mitbegründer der NATO.
Im Februar 1953 verheerte eine Sturmflut den Südwesten der Niederlande und forderte 1800 Tote. Die Niederlande waren Gründungsmitglied der Benelux-Wirtschaftsunion (seit 1944 geplant, am 3. Februar 1958 festgelegt und am 1. November 1960 in Kraft getreten). 1980 folgte Königin Beatrix Königin Juliana nach, die im Alter von 71 Jahren abdankte.
Die Morde am Politiker Pim Fortuyn am 6. Mai 2002 und an dem Filmregisseur Theo van Gogh am 2. November 2004 erschütterten die niederländische Öffentlichkeit und führten zu heftigen Debatten über das Selbstverständnis der niederländischen Gesellschaft. Nach dem Mord an Theo van Gogh kam es in den Niederlanden auch zu Brandanschlägen auf islamische und christliche Einrichtungen.
Die Niederländer wiesen am 1. Juni 2005 mit einer großen Mehrheit von 61,6 % den Vertrag über eine Verfassung für Europa zurück.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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