Niger  7.1 Landwirtschaft
In der nigrischen Sahara-Region ist nur in Oasen, etwa im Aïr-Gebirge, Bewässerungsfeldbau möglich. Nur der schmale Streifen entlang der nigerianischen Grenze befindet sich in der Sahelzone und ist somit für den Regenfeldbau geeignet. Die Regenzeit ist extrem kurz, knapp drei bis vier Monate. Darüber hinaus ist die Regenzeit durch eine hohe Variabilität der Regenfälle gekennzeichnet: Regional können ebenso stark unterschiedliche Regengüsse niedergehen, wie die zeitliche Verteilung der Regenmenge während der Regenzeit sehr ungleichmäßig sein kann.
Anbauprodukte sind hauptsächlich verschiedene Hirsearten sowie Bohnen und Erdnüsse. Nur in Trockenflusssenken werden im Bewässerungsanbau Gemüsearten, Henna, Capsicum-Arten, Tabak u.ä. angebaut. Mobiles Kapital sind Kleinviehherden, die in Notzeiten zunächst vermarktet und dann verzehrt werden.
Produktionsmittel sind heute der individualisierte Besitz an Grund und Boden sowie das durch den gemeinsam wirtschaftenden Haushalt erworbene Saatgut, das unter Umständen in Kooperativen hinzugekauft werden muss. Dies geschieht, wenn das Saatgut wegen Nahrungsknappheit verzehrt statt ausgebracht wird. Bei staatlichen Kooperativen oder reichen Händlern verschulden sich die Bauern z.T. auch durch den Kauf von Insektiziden und Düngemittel.
Die Arbeitsmittel sind die einer weitgehend nicht mechanisierten Landwirtschaft: die kurzstielige Hacke und ein langstieliges Jäteisen (Kanuri: ashasha). Ochsengezogene Pflüge befinden sich in der Regel im Besitz reicher Bauern, die meist identisch mit der einheimischen Aristokratie sind. Der überwiegende Teil der Bauern hat hierzu keinen Zugang.
Die vorkoloniale Gesellschaftsstruktur sieht eine gemeinschaftliche Nutzung der Böden durch eine Großfamilie, ein gandu (Hausa: Haushalt) vor. Individueller Besitz an Grund und Boden war weitgehend unbekannt. Seit der Kolonialzeit hat sich durch die Konsolidierung familiärer Besitzansprüche und einer zunehmenden Vermarktung von Grund und Boden ein individueller Besitz von Boden etabliert. Der Bevölkerungsdruck führte zu Landknappheit. Erbteilung führte zur Fragmentierung von Landbesitz. Individuelle Parzellen können heute eine (Klein-)Familie kaum noch ernähren.
Ein weiteres Problem stellt die großflächige Abholzung zur Gewinnung von Brennmaterial dar, sowie das fast vollständige Abtragen von Pflanzenmaterial nach der Ernte, so dass Ackerflächen zum einen vor der Sonneneinstrahlung nicht mehr geschützt sind und zum anderen der Düngungseffekt durch verrottendes Pflanzenmaterial ausbleibt. Die Böden verarmen. Seit Mitte der 80er Jahre wird diesem Problem mit einer systematischen Begrünung entgegen getreten. Hilfreich war dabei insbesondere die Bepflanzung mit der Akazienart Faidherbia albida. Bis 2006 konnten so 3 Mio. Hektar Land begrünt werden, von denen 250.000 Hektar bereits wieder landwirtschaftlich nutzbar sind. In diesen Gebieten sind die Niederschlagsmengen von 1982 bis 1999 um 10 bis 20 Prozent gestiegen.
Die lange Trockenzeit macht ein Vorratshaltungssystem notwendig, das in vorkolonialer Zeit sozial und religiös sanktioniert war. Diese Vorratshaltung war eng an die vorkoloniale Struktur der Haushalte, ihrer Arbeits- und Konsumptionsstruktur gebunden. Mit der Fragmentierung der Haushalte und der Individualisierung von Bodenbesitz vor allem seit der Dekolonisierung geht eine Auflösung dieser vorkolonialen Umverteilungsstrukturen einher. Heutige (Klein-)Familien können kaum noch auf ein Netz familiärer und nachbarschaftlicher Solidaritätsstrukturen zurückgreifen, vor allem angesichts des allgemein herrschenden ökologischen Drucks auf die ökologisch fragile Klimazone.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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