Österreich  6.7 Austrofaschismus und Ständestaat
Zur Problematik dieser Bezeichnungen und zur näheren Information siehe die Artikel Austrofaschismus und Ständestaat.
Dollfuß nützte das versehentlich nicht aufgehobene Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz von 1917, um fortan Gesetze durch Verordnungen der Bundesregierung zu ändern oder einzuführen. Am 12. Februar 1934 fanden die bis dahin schwelenden Auseinandersetzungen zwischen den regierenden Christlichsozialen (Vaterländische Front) und den oppositionellen Sozialdemokraten im Österreichischen Bürgerkrieg ihren gewaltsamen Höhepunkt. Die Regierung setzte das Bundesheer und seine Kanonen ein. Es folgten einige Todesurteile gegen Schutzbündler, die Absetzung des Wiener Bürgermeisters und das Verbot der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Vorfeldorganisationen. Dollfuß proklamierte hierauf am 1. Mai 1934 den Bundesstaat Österreich auf ständischer Grundlage (Ständestaat). Es handelte sich um eine Diktatur, die schon damals (z. B. in einem Privatbrief von Miklas, wie Friedrich Heer berichtet) mit dem Begriff Austrofaschismus bezeichnet wurde.
Wenige Wochen danach kam es zum Juliputsch von Anhängern der in Österreich seit 1933 verbotenen NSDAP. Einigen Putschisten gelang es am 25. Juli 1934, in das Bundeskanzleramt vorzudringen, wo Dollfuß so schwer verletzt wurde, dass er kurz darauf verstarb. Der Putschversuch wurde innerhalb weniger Tage niedergeschlagen. Neuer Bundeskanzler wurde Kurt Schuschnigg.
Die Politik des Ständestaates zielte darauf, Österreich als den besseren deutschen Staat darzustellen. In der Tat war Österreich die um vieles mildere Diktatur: Zahlreiche von den Nazis verfolgte Menschen, vor allem Schauspieler und Schriftsteller, suchten 1934–1938 in Österreich Zuflucht. Im äußeren Erscheinungsbild kopierte das Regime (dies wurde später Konkurrenzfaschismus genannt) Elemente aus dem faschistischen Italien und aus dem nationalsozialistischen Deutschland: Aufmärsche mit einem Fahnenmeer, die Einheitsorganisation Vaterländische Front, das Führerprinzip, das Verbot der Parteien.
Hatte Hitler beim Juliputsch noch den Unbeteiligten gespielt, weil Mussolini Österreich damals noch unabhängig erhalten wollte, so verstärkte sich der Druck des Dritten Reiches auf Österreich nach 1934 von Jahr zu Jahr. Schuschnigg wurde bei Treffen von Hitler eingeschüchtert und erpresst, nationale (= deutschnationale) Minister in seine Regierung aufzunehmen. Als der Kanzler im März 1938 in einem Verzweiflungsakt eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs ankündigte, erzwang Göring durch telefonische Drohungen von Bundespräsident Miklas die Einsetzung einer NS-Regierung. Parallel zu deren Amtsantritt am 12. März 1938 fand der längst vorbereitete Einmarsch der deutschen Truppen (Sonderfall Otto) statt. Zu diesem Zeitpunkt hatten mancherorts, z. B. in Graz, die einheimischen Nazis bereits die Macht ergriffen. Am 13. März 1938 erließ Hitler, von der Begeisterung seiner österreichischen Anhänger motiviert, das ursprünglich von ihm nicht für diesen Zeitpunkt vorgesehene Anschlussgesetz. Sofort begann der Terror gegen jüdische Österreicher, der auch in sogenannten "Arisierungen", das heißt dem Raub an jüdischem Eigentum, seinen Ausdruck fand.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
GNU-Lizenz für freie Dokumentation