Pakistan  4.5 Ethnische und religiöse Konflikte
Seit seiner Unabhängigkeit ist Pakistan Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volks- und Glaubensgruppen. Problematisch aus Sicht der kleineren Volksgruppen ist die Dominanz der Punjabi. Außerdem haben innere und äußere Wanderungsbewegungen in einigen Landesteilen zu erheblichen ethnischen Verschiebungen geführt, die auf Unmut stoßen. Im Sindh, insbesondere in der Provinzhauptstadt Karatschi und in Hyderabad, kommt es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen den einheimischen Sindhi einerseits und zugewanderten Muhajir andererseits. Letztere nehmen auf Grund ihres höheren Bildungsstandes eine herausragende Rolle im öffentlichen Leben ein. Ursprünglich aus Nordindien zugezogen stellen sie mittlerweile mehr als ein Fünftel der Bevölkerung des Sindh, die Sindhi dagegen nur noch knapp 60 Prozent, in Karatschi sogar nicht einmal ein Zehntel. Hinzu kommt die Zuwanderung von Punjabi und Paschtunen in den verhältnismäßig wohlhabenden Sindh. Viele Sindhi fühlen sich daher ins gesellschaftliche Abseits gedrängt. Radikale Nationalisten fordern sogar einen unabhängigen Staat Sindhu Desh („Land der Sindhi“). Auch zwischen den Muhajir und den wirtschaftlich zunehmend einflussreichen Paschtunen, häufig Flüchtlinge aus Afghanistan, kommt es im Sindh immer wieder zu bewaffneten Übergriffen. Regionalistische oder separatistische Bestrebungen bestehen außer im Sindh auch in Belutschistan (Belutschische Befreiungsarmee) und in der Nordwestprovinz, wo viele Paschtunen Forderungen nach größerer Autonomie, in geringerem Maße sogar nach staatlicher Selbstständigkeit („Paschtunistan“) unterstützen.
Ein kaum überschaubares Problem stellt der wachsende religiöse Extremismus im Land dar. Seit der Islamisierungspolitik der 1980er Jahre erlebt Pakistan einen rasanten Zuwachs an Koranschulen (Medresen), die seit der Militärdiktatur unter General Mohammed Zia ul-Haq finanziell gefördert werden. An einigen der schätzungsweise 20.000 Medresen sind fundamentalistische Anschauungen verbreitet, die zu einer Radikalisierung des Landes beitragen[5]. Dies äußert sich nicht nur in der andauernden Benachteiligung der zahlenmäßig eher unbedeutenden nicht-muslimischen Minderheiten sowie der Ahmadiyya-Muslimgemeinde, sondern vor allem in zunehmenden gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen militanten Sunniten und Schiiten. Auch verschiedene pakistanische Regierungen wurden immer wieder der aktiven Unterstützung terroristischer Gruppierungen als Mittel der politischen Einflussnahme in Afghanistan (Taliban-Regime) und Kaschmir bezichtigt. Einige Islamistengruppen haben eine Eigendynamik entwickelt, welche sie zunehmend der Kontrolle Islamabads entzieht. Wasiristan an der afghanischen Grenze dient mittlerweile den radikalislamischen Taliban als Rückzugsgebiet. Pakistanische Regierungstruppen kämpfen seit 2004 gegen Taliban-Verbände, um die Regierungsgewalt in diesem Landesteil wiederherzustellen.
1986 trat das sogenannte „Blasphemiegesetz“ (Artikel 295c des pakistanischen Strafgesetzbuches) in Kraft, das Gotteslästerung und geringschätzige Anmerkungen über den Propheten Mohammed mit Geld- und Haftstrafen oder im schlimmsten Fall mit dem Tode bestraft. Obwohl bisher keiner der auf Grund dieses Gesetzes Verurteilten tatsächlich hingerichtet wurde, sind schon mehrmals Angeklagte oder Verurteilte von Islamisten ermordet worden. Auch kommt es immer wieder zu Fällen von Selbstjustiz und Lynchmorden gegen Angehörige religiöser Minderheiten unter dem Vorwurf der Gotteslästerung.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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