Pakistan  6.4 Außenpolitik
Pakistans außenpolitische Beziehungen sind seit der Unabhängigkeit vor allem durch das Verhältnis zum Nachbarland Indien gekennzeichnet, das durch den ungeklärten Status der von beiden Seiten beanspruchten, überwiegend muslimischen Region Kaschmir stark belastet ist. Bereits dreimal führten Pakistan und Indien Krieg um die umstrittene Region. Im Ersten Kaschmirkrieg 1947/48 besetzte Indien das kaschmirische Kernland sowie die mehrheitlich hinduistische Gegend um Jammu und das buddhistische Ladakh. Pakistan eroberte den nördlichen Teil und ein kleines Gebiet im Westen Kaschmirs, das als „Asad Kaschmir“ („Freies Kaschmir“) einen teilautonomen Status erhielt. Die 1949 von den Vereinten Nationen ausgehandelte Waffenstillstandslinie hat unter der Bezeichnung Line of Control bis heute Bestand – daran änderten auch ein weiterer um die Region geführter Krieg 1965 und der bewaffnete Konflikt des Jahres 1999 nichts – wurde aber nie als endgültige Grenze anerkannt. Vielmehr besteht Pakistan auf der Durchführung einer ebenfalls von den Vereinten Nationen vorgeschlagenen Volksabstimmung über den endgültigen Status Kaschmirs. Diese hat jedoch bis heute nicht stattgefunden, da sich Indien auf die im Oktober 1947 unterzeichnete Beitrittserklärung des bis dahin quasi selbstständigen Königreiches Kaschmir zur Indischen Union beruft. Auch 1971 führten Pakistan und Indien Krieg gegeneinander, allerdings nicht um Kaschmir, sondern wegen des in Ostpakistan (Bangladesch) tobenden Unabhängigkeitskrieges, in den Indien auf Seiten Ostpakistans eingriff. 2002 standen die beiden verfeindeten Staaten letztmals kurz vor einer bewaffneten Auseinandersetzung. Seitdem zeichnet sich ein leichter, durch wirtschaftliche Interessen begünstigter Entspannungsprozess ab. Es kam zu vertrauensbildenden Maßnahmen wie der Eröffnung mehrerer grenzüberschreitender Verkehrsverbindungen. Auch treffen hochrangige Regierungsvertreter beider Staaten mittlerweile regelmäßig zu Gesprächen zusammen, um den Friedensprozess voranzutreiben. Eine endgültige Lösung der Kaschmir-Frage steht jedoch nach wie vor aus.
Zur Absicherung gegenüber Indien sucht Pakistan seit seinem Bestehen starke Bündnispartner, die es vor allem in den USA und der Volksrepublik China gefunden hat. Begünstigt wurden die pakistanischen Bündnisbestrebungen durch die Konstellation des Kalten Krieges, in dessen Verlauf sich Indien zunehmend in Richtung der Sowjetunion orientierte und damit die USA und China verärgerte. Dementsprechend waren die pakistanisch-sowjetischen Beziehungen eher unterkühlt. Die USA dagegen ließen Pakistan seit den 1950er Jahren nicht nur umfangreiche finanzielle Unterstützung zukommen, sondern belieferten das Land auch mit Waffen. Während der Militärdiktatur Mohammed Zia ul-Haqs verschlechterten sich die Beziehungen zunächst. Angesichts des Ausfalls des Iran als amerikanischer Verbündeter nach der Islamischen Revolution unter Ajatollah Chomeini und der Intervention sowjetischer Truppen im afghanischen Bürgerkrieg 1979 gewann Pakistan jedoch erneut eine herausragende Bedeutung für die US-Außenpolitik. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der UdSSR büßte Pakistan einen Teil dieser Bedeutung wieder ein. In den 1990er Jahren verschlechterten sich die Beziehungen zu den USA sogar zusehends, da die von Pakistan ausgebildeten religiösen Extremisten nicht mehr der Bekämpfung der Sowjets dienlich waren, sondern sich zu einem Sicherheitsproblem für den Westen entwickelten. Seitdem sich Präsident Pervez Musharraf nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 auf die Seite der USA stellte, spielt Pakistan aber erneut eine wichtige Rolle im außenpolitischen Gefüge der USA, allerdings nicht mehr in Hinblick auf Indien, das mittlerweile zu einem bedeutenden strategischen Partner der USA in der Region geworden ist, sondern vor allem im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus.
Auch die meisten Länder der Europäischen Union unterhalten freundschaftliche Beziehungen zu Pakistan. Obwohl die EU sowie verschiedene europäische Regierungen dem pakistanischen Regierungssystem verhalten gegenüber stehen und Bedenken bezüglich der Lage von Demokratie und Menschenrechten äußerten, steht die Rolle der pakistanischen Regierung als Gegner islamistischer Bewegungen sowie als möglicher Stabilisierungsfaktor für Afghanistan, wo mehrere europäische Staaten an der Schutztruppe ISAF beteiligt sind, deutlich im Vordergrund. Zudem strebt die EU als wichtigster Außenhandelspartner Pakistans eine Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen an. Die Europäische Kommission ist seit 1985 mit einer diplomatischen Vertretung in Islamabad anwesend.
Die Beziehungen Pakistans zu seinem westlichen Nachbarn Iran sind zwiespältig. Bis in die jüngere Vergangenheit arbeiteten beide Länder eng miteinander zusammen. Der Iran unterstützte Pakistan sogar militärisch, etwa bei der Niederschlagung separatistischer Aufstände der Belutschen auf pakistanischem Hoheitsgebiet zwischen 1973 und 1977. Auch die Islamische Revolution im Jahre 1979 und die damit verbundene Abkehr des Irans von seiner bis dahin pro-amerikanischen Außenpolitik bedeutete keinen Bruch in den Beziehungen der Nachbarstaaten. Erst die zunehmende Gewalt sunnitischer Extremisten gegen die schiitische Minderheit in Pakistan seit Beginn der 1990er Jahre zog eine Abkühlung der Beziehungen nach sich. Der schiitische Islam ist Staatsreligion im Iran. Noch schwerwiegender wirkte sich die mutmaßliche Unterstützung des streng sunnitischen Taliban-Regimes in Afghanistan durch Pakistan aus. Seit dem Ende der Taliban 2001 und dem schärferen Vorgehen der Regierung Musharraf gegen extremistische Sunniten im eigenen Land haben sich die Beziehungen merklich entspannt. Bislang wurden sie auch durch den Streit zwischen den USA und der iranischen Regierung unter Mahmud Ahmadinedschad über das iranische Atomprogramm kaum getrübt. Der Iran hat sich sogar wiederholt als Vermittler im indisch-pakistanischen Kaschmirstreit angeboten, da er zu beiden Seiten gute Beziehungen unterhält.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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