Polen  9.6 Wissenschaft
Bereits mit der Gründung der Bistümer im Jahre 1000 wurden nach und nach Kirchenschulen an den Bischofssitzen eröffnet. Mit dem Zisterzienser-Orden kam auch die abendländische Wissenschaft nach Polen. Bereits 1364 gründete der Große die Krakauer Universität, die die zweitälteste Alma Mater in Mitteleuropa ist. Sie war die erste Universität, die eine eigenständige Professur für Mathematik und Astronomie hatte. Ihr Rektor Paweł Włodkowic - einer der wichtigsten Völkerrechtler jener Zeit - stellte auf dem Konzil von Konstanz 1415 die These auf, dass heidnische Völker ein Recht auf einen eigenen Staat hätten und nicht mit dem Schwert christianisiert werden dürften. Dass er nicht das Schicksal seines Prager Kollegen Jan Hus teilen musste, verdankte er der zahlreichen polnischen Ritterschaft, die beim Konzil anwesend war.
Die polnische Wissenschaft erreichte in der Zeit des Humanismus ihre Blüte. Einer der Krakauer Absolventen war der Astronom, Ökonom, Theologe, Jurist und Mediziner Nikolaus Kopernikus, der das heliozentrische Weltbild erschuf. Wichtige Astronome und Mathematiker jener Zeit waren auch Marcin Król, Marcin Bylica, Marcin Biem, Jan z Głogowa und Wojciech z Brudzewa. In der (Al)Chemie und Medizin waren damals Adam z Łowicza und Maciej Miechowita führend. Neue Universitäten wurden in Zamość, Raków, Vilnius, Posen und Lemberg gegründet, zudem kamen die zahlreichen Schulen der Jesuiten. Nach den Kriegen des 17. Jh. verfiel die polnische Wissenschaft jedoch zusehends und erreichte in der sächsischen Zeit ihren Tiefpunkt. Eine Ausnahme bildete das 1740 von den Piaristen in Warschau gegründete Collegium Nobilium.
Mit dem Amtsantritt Stanisław August Poniatowskis begann in der Aufklärung die Neuorganisation der polnischen Universitäten durch Hugo Kołłątaj im Rahmen der Kommission für nationale Erziehung, dem ersten Bildungsministerium der Welt. Als einer der wichtigsten Wissenschaftler und Industrieller dieser Zeit gilt Stanisław Staszic, der um 1800 in Warschau eine Akademie der Wissenschaft ins Leben rief. 1817 wurde die Warschauer Universität gegründet. Auf dieser Grundlage konnte sich die polnische Wissenschaft im 19. Jh. entwickeln. Um 1850 entdeckte Ignacy Łukasiewicz eine Methode zur Destillation von Erdöl und schuf damit die Ölindustrie, die ihren Ausgangspunkt in Galizien nahm, wo heute noch die ältesten Ölfördertürme der Welt stehen. Napoleon Cybulski und Władysław Szymonowicz schufen die moderne Endokrinologie. Zygmunt Wróblewski und Karol Olszewski gelang es erstmals, Sauerstoff und Stickstoff zu verflüssigen. Stefan Banach und Hugo Steinhaus begründeten die Funktionalanalyse in der Mathematik. Der Arzt Kazimierz Funk entdeckte die Vitamine. Marie Curie-Skłodowska entwickelte die Radiologie und entdeckte u.a. das Polonium und das Radium. Sie war die erste Frau, die einen Nobelpreis erhielt, und gleichzeitig der erste Mensch dem zwei zuerkannt wurden (Physik) und (Chemie). Eugeniusz Kwiatkowski entwickelte die polnischen Wirtschaftswissenschaften, die er nach der Unabhängigkeit Polens als Wirtschaftsminister in die Praxis umsetzten konnte.
In der Zweiten Republik wurde die polnische Sprache an den polnischen Universitäten wieder eingeführt und die Lehre und Wissenschaft florierten. Einer der größten polnischen Juristen Roman Longchamps de Berrier vereinheitlichte das polnische Zivilrechtssystem, dass 1918 noch aus fünf Rechtsordnungen bestand. Sein Schuldrechtgesetzbuch gilt als eines der besten der Welt. Der Zweite Weltkrieg war ein Desaster für die polnischen Wissenschaftler, denn die Nationalsozialisten wollten die polnischen Kulturschaffenden vernichten. Bereits in den ersten Kriegswochen wurden hunderte polnischer Professoren ermordet oder in Konzentrationslager deportiert. Insoweit erlangte die Sonderaktion Krakau traurige Berühmtheit. Im Weltkrieg wurden auch die polnischen Universitätsbibliotheken ausgeraubt und ihre Bestände zielgerichtet vernichtet, so dass 1945 ein völliger Neuanfang bevorstand. Zudem flohen viele der überlebenden Wissenschaftler vor den Kommunisten ins westliche Ausland und die überlebenden polnischen Juden emigrierten nach Israel. Die polnische Wissenschaft erholte sich nur langsam. Die polnischen Restaurateure schon bald wieder Weltruhm genießen, doch den anderen Wissenschaften fehlte der Austausch mit den bereits führenden US-amerikanischen Universitäten. Dies änderte sich erst nach 1989. Mittlerweile verzeichnet die polnische Wissenschaft wieder Erfolge, wie z.B. die Entdeckung des Blauen Lasers in der praktischen Medizin.

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