Portugal  9.6 Bibliothekswesen
Portugal verfügt über eine lange historische Bibliothekstradition, ausgehend von mittelalterlichen und klösterlichen Sammlungen. So entwickelten sich bis heute vielfältige Bibliothekstypen, wie wissenschaftliche Bibliotheken, Universitätsbibliotheken, öffentliche Bibliotheken, Bibliotheken der zentralen Verwaltung und Spezialbibliotheken. Die genaue Anzahl von Bibliotheken und der Gesamtbestand an Medien ist nicht bekannt. (Die LIB2-Studie von 1986 ermittelte 556 portugiesische Bibliotheken.)
Systematische und methodische Arbeiten zur Förderung des öffentlichen Bibliothekswesens und der Bibliothekswissenschaft begannen am Ende des 19. Jahrhunderts.
In der Zeit des Estado Novo (1928-1974) war die Bedeutung der Bibliotheken und die Bibliotheksarbeit selbst durch Zensur und Restriktionen stark eingeschränkt. Dadurch gibt es bis heute Defizite in der Entwicklung des Bildungs– und Bibliothekssystems.
Nach der Nelkenrevolution 1974 kam es zur Demokratisierung im Bildungs- und Kulturbereich. Ein Ergebnis der jahrzehntelangen Diktatur war eine mangelnde Volksbildung und das Problem des Analphabetismus, die auch eine systematische Erwachsenenbildung und Leseförderung nötig machte. Die ebenso besorgniserregende Situation der öffentlichen Bibliotheken hatte zahlreiche Initiativen und Neuregelungen innerhalb des Bibliothekswesens zur Folge, z. B. 1983 das „Manifest des öffentlichen Lesens“. 1986 wurde dies durch eine Gesetzgebung zur Schaffung und Koordinierung eines Netzes des öffentlichen Lesens untermauert. Gleichzeitig kam es zur in Portugal erst relativ spät beginnenden Automatisierung der Bibliotheksarbeit und dem Einsatz moderner Informationstechnik.
Hierbei hatten die Universitätsbibliotheken und die Nationalbibliothek eine Vorreiterrolle. Die heutige Nationalbibliothek „Biblioteca Nacional de Lisboa“ [1] war die erste öffentliche Bibliothek, die 1796 als Königlich-öffentliche Hofbibliothek gegründet wurde. Sie betreibt z. B. die nationale bibliographische Datenbank PORBASE. Diese enthält über 1 Million Titeleinträge, 800.000 Verfassereinträge von ca. 134 Bibliotheken und Dokumentationszentren und die Portugiesische Nationalbibliographie. Die Nationalbibliothek und vermutlich auch fast alle anderen Bibliotheken arbeiten mit dem Bibliothekssystem CDS/ISIS und dem Datenaustauschformat UNIMARC.
Eine Archivar- und Bibliothekar-Ausbildung ist über ein Studium an den staatlichen Universitäten Coimbra, Lissabon und Porto möglich. Einige zum Teil staatliche Institutionen übernehmen Koordinierungsaufgaben und unterstützen die Förderung des portugiesischen Buches und die Kooperation und Unterstützung von Bibliotheken.
Durch umfangreiche innovative Arbeiten der letzten Jahre hat das portugiesische Bibliothekswesen weitgehend den Anschluss an europäische und internationale Standards geschafft. Noch existierende Defizite sollen in Zukunft, durch weitere Förderung des Lesens und der Bibliotheken und durch internationale Zusammenarbeit, weiter abgebaut werden.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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