Rumänien  5.6 Zwischenkriegszeit
In den Friedensverträgen von Versailles 1919 und Trianon konnte Rumänien sein Staatsgebiet um Gebiete vergrößern, in denen Rumänen zum Teil in der Minderheit, zum Teil in der Mehrheit waren. So erhielt es Gebiete von Russland (Bessarabien) und Österreich-Ungarn (Siebenbürgen), einen Streifen Oberungarns mit den Städten Arad, Oradea und Satu Mare, zwei Drittel des Banats und die Bukowina sowie zudem die (Anfang 1918 kurzfristig abgetretene) Dobrudscha von Bulgarien zurück. Staatsfläche und Bevölkerungszahl verdoppelten sich, jedoch wurde Rumänien in seinen neuen Grenzen von einem relativ einheitlichen Nationalstaat zu einem Vielvölkerstaat. So war 1920 jeder vierte (rund 24 Prozent) rumänische Staatsbürger nicht-rumänischer Nationalität, wobei die Ungarn, Deutschen, Juden und Ukrainer die größten Minderheitengruppen bildeten. Dem Wilsonschen Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker folgend, wurden die neuen Grenzen nach dem Prinzip der demographischen (rumänischen) Mehrheit gezogen, jedoch ohne Volksabstimmung sowie ohne Rücksicht auf zusammenhängende Wirtschaftsräume und auf die Ausdehnung der ethnischen Siedlungsgebiete. Vielerorts war eine Trennung auch einfach nicht möglich. Somit wurde 1920 bereits die Grundlage für die späteren ethnischen Konflikte mit den Ungarn gelegt, die 1940 durch den Wiener Schiedsspruch noch einmal massiv aufflammen sollten. Die deutsche Elite Siebenbürgens und des Banats sprach sich aber mehrheitlich für einen Anschluss an Rumänien aus, da ihr seitens der rumänischen Regierung ein später nicht eingehaltenes Versprechen auf Autonomie und Selbstverwaltung gegeben wurde. Wie andere Staaten Europas war auch Rumänien in der Zwischenkriegszeit von politischer Instabilität und Unruhe gekennzeichnet. 1927 wurde Kronprinz Carol zum Thronverzicht gezwungen und Mihai I. übernahm die Regierung. Carol II. kehrte jedoch 1930 zurück und regierte bis 1940. Er lehnte sich zunächst an die „kleine Entente“ an, ab 1934 jedoch aus wirtschaftlichen Gründen auch an Hitlers Drittes Reich.
Ende Juni 1940 erzwang die Sowjetunion im Gefolge ihrer Annexion der baltischen Staaten auch von Rumänien durch ein Ultimatum die sofortige Abtretung der Nordbukowina sowie Bessarabiens. Unmittelbar darauf meldeten ihrerseits Bulgarien und Ungarn Gebietsansprüche an: Mit Bulgarien einigte sich Rumänien relativ rasch auf die Abtretung der Süddobrudscha, doch endeten die Verhandlungen mit Ungarn schnell in einer Sackgasse. Da ein Krieg unvermeidlich schien und überdies ein erneutes Eingreifen der Sowjetunion Richtung der rumänischen Ölfelder drohte, diktierte Hitler am 30. August 1940 den Zweiten Wiener Schiedsspruch. Auf Grund dieser Entscheidung und auf Druck des Deutschen Reiches und Italiens sah sich Rumänien gzwungen, den nördlichen Teil Siebenbürgens wieder an Ungarn abtreten. Mit diesem Schiedsspruch und der sowjetischen Besetzung von Bessarabien verlor Rumänien 30 % seines Staatsgebietes und 25 % der Bevölkerung von 1939.
Um den Einmarsch Ungarns und der Sowjetunion und damit den völligen Kollaps des rumänischen Staatswesens zu verhindern, sah sich König Carol II. gezwungen, all diese Gebietsabtretungen zu akzeptieren; an ein Weiterregieren war jedoch nicht mehr zu denken. So berief er Kriegsminister Ion Antonescu am 4. September 1940 zum neuen Ministerpräsidenten, dankte am 6. September 1940 ab und ging wieder ins Exil. Nach der Machtübernahme erklärte Antonescu zusammen mit seinen faschistischen Bündnispartnern aus der „Eisernen Garde“ (auch als „Legion des Erzengels Michael“ bekannt) Rumänien zum „Nationallegionären Staat“. Antonescus Politik war ab Januar 1941 im Grunde eine Legionärspolitik ohne Legionäre: totalitär, repressiv, antisemitisch und ultranationalistisch.
Rumänien suchte verzweifelt eine Schutzmacht, England lehnte jedoch ab. Nun schloss Rumänien mit dem Deutschen Reich einen Beistandspakt und trat der „Achse“ bei. Aufbau und Ausrüstung der rumänischen Streitkräfte wurden vertraglich geregelt und deutsche Truppen durften als Schutzmacht gegen die Sowjetunion in Rumänien einrücken. Stalin protestierte zwar energisch, griff jedoch militärisch nicht ein.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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