Russland (Russische Förderation)  8.4 Gesamtwirtschaftliche Entwicklung seit der Finanzkrise 1998
Die russische Wirtschaft hat sich vom Produktionseinbruch im Zuge der Finanzkrise des Jahres 1998 rasch erholt. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um rund 5 % wurde schon 1999 aufgeholt. Von 1999 bis 2005 ist die gesamtwirtschaftliche Produktion pro Jahr um durchschnittlich rund 6 1/2 % gewachsen.
Zum einen hat die 1998 eingetretene deutliche Abwertung des Rubels der russischen Wirtschaft Auftrieb verschafft. Durch die Abwertung wurden ausländische Güter verteuert. In Russland hergestellte Produkte wurden auf dem Inlandsmarkt wettbewerbsfähiger. Die russischen Exporteure konnten von der Abwertung aufgrund der mangelhaften qualitativen Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte auf den westlichen Märkten allerdings nur wenig profitieren.
Ab Mitte 1999 gaben dann die kräftig steigenden Preise für die russischen Energieexporte der Wirtschaft einen weiteren Wachstumsschub. Steigende Gewinne führten zu höheren Investitionen. Mit wachsenden Steuer- und Zolleinnahmen kam es zu Überschüssen in den öffentlichen Haushalten.
Die bis Mitte der 90er Jahre deutlich zurückgegangene Ölproduktion erholte sich.
Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich seit 2001 mehr als verdoppelt und 2005 rund 5.250 US-$ erreicht. Allerdings verbesserte sich der Lebensstandard regional sehr unterschiedlich. Während besonders in Moskau und St. Petersburg heute einige Viertel in neuem Glanz erstrahlen, ist in anderen Regionen die Armut nach wie vor groß. Insgesamt konnte der Anteil der „Armen“ zwar deutlich gesenkt werden, noch immer lebt aber etwa ein Sechstel der russischen Bevölkerung unter der offiziellen Armutsgrenze. Zudem gibt es große Einkommensdifferenzen. So sind die Löhne in der Ölindustrie mit durchschnittlich 22.500 Rubel (rund 800 $) fast dreimal höher als der Durchschnittslohn (8.500 Rubel) und rund sechsmal höher als in der Landwirtschaft (3.600 Rubel).
Weiter zweistellig steigende Verbraucherpreise erschweren allerdings die Lebensbedingungen jener Bevölkerungskreise, die bisher nicht am Rohstoffboom teilhaben. Der jährliche Preisanstieg, der in der Regel nicht wie international üblich als Veränderung des Indexes der Verbraucherpreise im Jahresdurchschnitt, sondern als Veränderung der Jahresendstände des Verbraucherpreisindexes im Dezember angegeben wird, verringerte sich 2005 lediglich geringfügig auf 10,9 %.
Zudem macht sich der Produktionsaufschwung auf dem Arbeitsmarkt nur allmählich bemerkbar. Mit 7,6 % war die nach Standards der Internationalen Arbeitsorganisation berechnete Arbeitslosenquote 2005 immerhin 0,6 Prozentpunkte niedriger als 2004. Allerdings gilt die Arbeitslosenquote nur als begrenzt aussagefähig, weil viele Arbeitslose nicht erfasst werden dürften.
Der Erdölboom spülte in den letzten Jahren hohe Einnahmen in die russische Staatskasse. So konnte seit 2000 in jedem Jahr ein Haushaltsüberschuss verbucht werden. Er stieg 2005 weiter auf 7,4 %.
Ein Teil der Öleinnahmen fließt seit 2004 in einen nationalen Stabilisierungsfonds, der die Auswirkungen schwankender Rohstoffpreise auf Wirtschaft und Staatshaushalt mindern soll. Diesem Zweck zuwider läuft allerdings, dass künftig aus dem Fonds Gelder zur Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen abgezweigt werden sollen. Der Wert des Stabilisierungsfonds hat sich von Anfang 2005 bis zum 1. Juli 2006 etwa vervierfacht und 2.067 Mrd. Rubel erreicht (rd. 77 Mrd. $, rd. 8 % des BIP).
Die gesamtwirtschaftliche Produktion setzte ihren Aufschwung 2005 fort und wuchs um 6,4 %. Gegenüber den beiden Vorjahren, als jeweils Wachstumsraten von gut 7 % verbucht wurden, bedeutet dies allerdings eine leichte Wachstumsverlangsamung. Zurückzuführen ist sie insbesondere auf das schwächere Wachstum der Industrieproduktion, die 2005 nur noch um rund 4 % zunahm (2004: + 7,3 %). Ursache dafür war wiederum das deutlich abgeschwächte Wachstum der Ölförderung, die nur noch um 2,2 % stieg (2004: + 8,9 %). Die Erdgasförderung stagnierte sogar fast. Dagegen hat sich das kräftige Wachstum im verarbeitenden Gewerbe fortgesetzt. Insofern machte die russische Wirtschaft auf dem Weg zu einer breiter diversifizierten Produktionsstruktur Fortschritte.
Nachfrageseitig kamen die Wachstumsimpulse 2005 einmal mehr vom sehr stark steigenden Privatverbrauch, der erneut ein Plus von rund 11 % verbuchte. Dem standen die Bruttoanlageinvestitionen mit einem Zuwachs von 10,5 % (2004: + 10,9 %) nur wenig nach.
Außenwirtschaftlich hat sich die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft vom Energiesektor allerdings weiter verstärkt. Nach Angaben der Zollstatistik stieg der Anteil der Energieexporte beim Handel mit Ländern außerhalb der GUS von 60 % auf 67 % aller Ausfuhren.
Der Anstieg der Ölpreise um knapp die Hälfte im Jahresdurchschnitt 2005 ließ die Warenausfuhren erneut um rund ein Drittel auf rund 244 Mrd. $ steigen. Die Wareneinfuhren nahmen gleichzeitig um rund 29 % auf rund 125 Mrd. $ zu. Damit ist der Außenhandelsüberschuss auf rund 118 Mrd. $ (15 % des BIP) gestiegen. Der Leistungsbilanzüberschuss nahm sogar um knapp die Hälfte zu. Er erreichte rund 84 Mrd. $ (11 % des BIP).
Die staatlichen Auslandsschulden sind bis Ende 2005 auf rund 82 Mrd. $ verringert worden, während die Währungsreserven binnen Jahresfrist bis Ende 2005 um knapp die Hälfte auf 182 Mrd. $ gewachsen sind. Deutlich höhere Währungsreserven haben jetzt nur noch Japan und China.
Ausgewählte Wachstumszahlen der russischen Volkswirtschaft

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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