Türkei  4 Geschichte
Auf dem Gebiet der heutigen Türkei lebten und herrschten die Hethiter, Armenier, Griechen, Perser und nach diesen erneut die Griechen unter Alexander dem Großen. Anschließend gliederte das Römische Reich Kleinasien in sein Herrschaftsgebiet ein. Die Herrschaft des vereinten Römischen Reiches hielt bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. Danach fiel Kleinasien nach der Teilung des Römischen Reiches an Byzanz.
Die endgültige türkische Besiedlung Anatoliens begann mit dem Eintreffen der Seldschuken im 11. Jahrhundert n. Chr. Die ursprüngliche Heimat der Türken lag in Zentralasien und Westchina.
Die Seldschuken schlugen die byzantinische Armee in der Schlacht von Mantzikert im Jahre 1071 vernichtend. 1077 wurde das Sultanat der Rum-Seldschuken gegründet und daraufhin eroberten die Türken große Gebiete Ost- und Mittelanatoliens. Nach dem Überfall der Mongolen wurde das seldschukische Reich geschwächt, so dass sich viele türkische Stämme verselbständigten. Aus einem dieser türkischen Fürstentümern (Beyliken) erwuchs das spätere Osmanische Reich. Seit dem zwölften Jahrhundert ist in westlichen Quellen die Bezeichnung des Landes als Turchia belegt.
Um 1299 begründete Osman I. (*1259; †1326; (regierte 1299-1326) das nach ihm benannte Osmanische Reich und die Osmanen-Dynastie. Nach der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 herrschten die Osmanen über große Teile des Nahen Ostens, Nordafrikas, der Krim, des Kaukasus und des Balkans.
Nachdem die Expansion des Osmanischen Reiches nach Europa hinein vor Wien zum Stillstand gebracht, das osmanische Heer dort am Kahlenberg 1683 geschlagen worden war, wurde das Reich immer weiter aus seinen europäischen Gebieten bis auf den Zipfel westlich des Marmarameeres, zwischen Istanbul und Edirne, zurückgedrängt. Das ab dem 19. Jahrhundert stark zunehmende Unabhängigkeitsstreben diverser Nationen im Vielvölkerstaat des Osmanischen Reiches, die Besetzung Nordafrikas durch europäische Mächte und schließlich die Niederlage im Ersten Weltkrieg bewirkten seinen endgültigen Verfall.
Im Ersten Weltkrieg kämpfte das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte. Nachdem Frankreich und Großbritannien den Armeniern einen selbständigen Staat in Ostanatolien versprochen hatten, begannen sich die Armenier mit Hilfe der Russen gegen die Türken zu erheben. Die osmanische Regierung befürchtete eine Schwächung ihrer Ostfront. Unter dem Vorwand einer Umsiedlungsaktion wurde ein großer Teil der im Reichsgebiet lebenden Armenier ermordet.
Die heutige türkische Regierung bestreitet diesen Völkermord an den Armeniern und versucht auf diplomatischen Wegen, andere Staaten davon abzuhalten, ihn offiziell anzuerkennen. Er wird offiziell neben Armenien selbst durch folgende Staaten und Organisationen anerkannt: Frankreich, Italien, Russland, Belgien, Slowakei, die UNO und die EU.
Nach der Niederlage der Mittelmächte verlor das Osmanische Reich infolge des Friedensvertrages von Sèvres seine verbliebenen Gebiete außerhalb von Anatolien und Thrakien. Darüber hinaus sollte das Gebiet der heutigen Türkei weitgehend zerstückelt werden. Griechenland wurden die Stadt Smyrna (türkisch İzmir) und Teile von Westanatolien zugesprochen, die Region um Adana sollte an die Italiener gehen und der französische Besitz sollte neben Syrien auch Kilikien umfassen. In den östlichen Landesteilen der heutigen Türkei mit den Städten Kars, Ardahan und Erzurum sollte ein armenischer Staat entstehen. Südlich davon und östlich des Euphrat wurde den Kurden eine autonome Region zugesprochen. Diese Pläne wurden allerdings nicht umgesetzt.
Atatürk organisierte ab dem 19. Mai 1919 den politischen und militärischen Widerstand gegen diese Pläne. Besonders heftig waren ab 1920 die Kämpfe mit Griechenland. Der Krieg endete am 9. September 1922 mit der Einnahme und dem Niederbrennen des damals mehrheitlich griechisch bewohnten Smyrna (İzmir). Der Sieg der Türkei gipfelte in der Kleinasiatischen Katastrophe, in dessen Folge viele Griechen und Türken aus ihrer Heimat vertrieben wurden.
Nach dem Sieg der Türkei wurden am 24. Juli 1923 mit dem Vertrag von Lausanne die Bestimmungen aus dem Vertrags von Sèvres revidiert. Mit dem Vertrag wurden die bis heute gültigen Grenzen des neuen Staates völkerrechtlich anerkannt. Gleichzeitig wurde der „Bevölkerungsaustausch“ mit Griechenland in geregelte Bahnen gelenkt. Nachdem alle ausländischen Kräfte aus Anatolien vertrieben wurden, rief Mustafa Kemal am 29. Oktober 1923 die Republik (Türkiye) aus. Der Name der Türkei leitet sich ab von türk („Kraft oder Stärke“) und iye („Land“, „Heimat“). (Siehe auch: Namensherkunft Türkei).
Im Laufe seiner Amtszeit führte Atatürk tiefgreifende Reformen im politischen und gesellschaftlichen System durch, die die Türkei in einen modernen, säkularen und europäisch orientierten Staat verwandelten. Die Leitlinien seiner Politik werden heute unter dem Begriff Kemalismus zusammengefasst.
Unter anderem wurde im Jahre 1922, noch vor der Ausrufung der Republik, das Sultanat abgeschafft und am 3. März 1924 folgte die Abschaffung des Kalifats. Im gleichen Jahr schaffte die Türkei die religiösen Gerichte (Scharia) ab, 1925 wurden im Zuge einer umfassenden „Kleiderreform“ Fez (traditionelle türkische Kopfbedeckung der Männer) und Schleier für die Frau verboten und die Koedukation eingeführt. Im selben Jahr wurden die islamische Zeitrechnung durch den Gregorianischen Kalender ersetzt sowie das metrische System eingeführt.
In den folgenden Jahren wurden ganze Rechtssysteme aus europäischen Ländern übernommen und den türkischen Verhältnissen angepasst. 1926 wurde zunächst das Schweizer Zivilrecht - und damit die Einehe mit einer Gleichstellung von Mann und Frau - übernommen (Die Gleichstellung der Geschlechter gelang im täglichen Leben allerdings nur teilweise). Es folgten das deutsche Handelsrecht und das italienische Strafrecht. 1928 wurde die Säkularisierung ausgerufen und im gleichen Jahr die Arabische Schrift durch die Lateinische ersetzt (siehe Neues türkisches Alphabet). Im Zuge weiterer Reformen wurde in der Türkei 1930 das aktive Frauenwahlrecht eingeführt und seit 1934 dürfen sich Frauen auch selbst zur Wahl stellen (passives Frauenwahlrecht). Nur wenige der Reformen - etwa Atatürks Idee, in den Moscheen statt auf Arabisch nur noch auf Türkisch zu beten - wurden zurückgenommen, da man es nicht ganz durchführen und kontrollieren konnte.
Nachdem Atatürk am 10. November 1938 starb, wurde sein enger Weggefährte Ismet Inönü zweiter türkischer Staatspräsident. Inönü war bestrebt, die Modernisierung der Türkei fortzuführen und die außenpolitische Neutralität beizubehalten. 1939 schloss sich die Republik Hatay der Türkei an und wurde zu der gleichnamigen Provinz mit der Hauptstadt Iskenderun.
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bewahrte die Türkei ihre außenpolitische Neutralität. Erst am 23. Februar 1945 erklärte sie Deutschland und Japan symbolisch den Krieg, um anschließend die Charta der Vereinten Nationen mit zu unterschreiben.
1946 wurde in der Türkei erstmalig eine weitere politische Partei zugelassen. Die DP (Demokratische Partei) errang bei den Wahlen am 14. Mai 1949, unter der Führung von Adnan Menderes, die Mehrheit der Sitze im Parlament. Damit endete die seit Republikgründung herrschende Einparteienherrschaft der CHP.
Der sich abzeichnende Ost-West-Konflikt und die Versuche der Sowjetunion, Einfluss auf die Türkei auszuüben, führte zur endgültigen Aufgabe der außenpolitischen Neutralität der Türkei. 1950 nahm die Türkei auf der Seite der USA am Korea-Krieg teil und trat 1952 in die NATO ein.
1960 proklamierte der regierende Ministerpräsident Adnan Menderes ein Ermächtigungsgesetz, um die politische Opposition auszuschalten. Gegen diese Maßnahmen putschte 1960 das Militär. Menderes und andere Politiker wurden unter Korruptionsvorwurf zum Tode verurteilt und am 17. September 1961 auf Imrali gehängt. Nachdem das Militär 1961 eine neue Verfassung einführte, gab es die Macht an eine Zivilregierung ab.
Inönü wurde Ministerpräsident und regierte von 1961 bis 1965. 1963 schloss die Türkei mit der damaligen EWG ein Assoziierungsabkommen ab. Aber auch die Folgeregierung konnte die Probleme nicht in den Griff bekommen. Linke und rechte Terror-Aktivitäten nahmen zu und die Wirtschaftslage verschlechterte sich rapide. 1971 griff die Armee, ohne zu putschen, erneut in die Politik ein. Unter dem militärischen Einfluss wurden repressive Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung durchgesetzt.
1974 stürzte die damalige griechische Militärdiktatur den zypriotischen Präsidenten Makarios. Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit entsandte daraufhin Truppenverbände nach Zypern, um einerseits die türkische Minderheit auf der Insel zu schützen, und andererseits einen Zusammenschluss zwischen dem damals faschistisch orientiertem Griechenland und Zypern zu verhindern. Diese Militäroperation trug den Namen Zypriotische Friedensbewegung (Kıbrıs barış harekatı). Nach schweren Kämpfen wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der zur bis heute andauernden Teilung der Insel in zwei selbständige Teile führte. Am 15. November 1983 wurde die Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) unter Rauf Denktaş proklamiert.
Das Militär putschte sich am 12. September 1980 zum dritten Mal an die Macht. Auslöser war die sehr instabile Phase in den 70er-Jahren, die durch wechselnde politische Koalitionen, politische und wirtschaftliche Instabilität und Terrorakte durch das extrem rechte und linke politische Spektrum geprägt war. Das Militär unter General Kenan Evren verhängte über das Land das Kriegsrecht und verbot alle politischen Parteien. Die Junta ging heftig gegen die kurdischen Separatisten und linke Oppositionelle vor. Am 7. November 1982 wurde die von den Militärs vorgelegte neue Verfassung in einem Volksentscheid angenommen.
Ab Mitte der 1980er bestimmte der Kurdenkonflikt die innenpolitische Debatte in der Türkei. Die Kurdenproblematik wurde bis dahin von der Politik tot geschwiegen und war nicht im Bewusstsein der türkischen Gesellschaft. Die Assimilierungspolitik der Türkei führte zur Unterdrückung der kurdischen Kultur und Identität. Als Reaktion darauf entstand im Jahre 1984 die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) mit Abdullah Öcalan an ihrer Spitze. Sie nahm im Südosten den bewaffneten Kampf für einen unabhängigen sozialistischen Staat Kurdistan auf. Bis 1999 sind bei den Kämpfen und Anschlägen zwischen dem türkischen Militär und der PKK 30.000 Menschen ums Leben gekommen.
Am 16. Februar 1998 nahm der türkische Geheimdienst Abdullah Öcalan, den Führer der PKK, in Kenia gefangen und brachte ihn in die Türkei. Daraufhin erklärte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand, der erst wieder 2004 gebrochen wurde.
Im Februar 1994 wurde die gewählte kurdische Parlamentarierin der DEP-Partei (Leyla Zana) unter dem Vorwurf verfassungsfeindlichen Handelns inhaftiert. Mitte 2004 wurden sie und drei weitere inhaftierte DEP-Abgeordnete nach starkem Druck der EU freigelassen. Dieser Vorgang ist zu sehen im Zusammenhang mit den Bestrebungen der Türkei auf eine Mitgliedschaft in der EU.
Unter der Regierung Ecevits (1999-2002) begannen umfassende Reformen im Zivilrecht, die die Menschen- und Freiheitsrechte stärkten (z. B. Versammlungs- und Demonstrationsrecht). Diese Reformen wurden unter der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (seit 2001) fortgesetzt. Unter anderem wurde die Todesstrafe abgeschafft, Folter verboten und die kulturellen Freiheiten der kurdischen Minderheit gestärkt. So ist der Gebrauch der kurdischen Dialekte, Kurdischunterricht und kurdische Radio- und Fernsehkanäle nun erlaubt. So erteilte die Regulationsbehörde für Fernseh- und Radiosender (RTÜK) am 18. August 2004 drei Privatsendern im Südosten der Türkei, die Lizenz in Kurmanci oder Zazaki zu senden. Auch der staatliche Sender TRT 3 strahlt Sendungen in Arabisch, Zazaki, Kumanci, Bosnisch usw. aus.
Am 15. November 2003 und 20. November 2003 verübte eine Zelle der Al-Qaida mehrere Bombenanschläge in Istanbul. Ziele der Anschläge, bei denen 60 Menschen starben, waren zwei Synagogen, das britische Konsulat und die Filiale der britischen HSBC-Bank.
Seit 2004 sind die Kämpfe zwischen der türkischen Regierung und der PKK wieder aufgeflammt und 2005 nahmen sie nochmals an Intensität zu.
Am 10. August 2005 traf sich Recep Tayyip Erdoğan in Ankara mit türkischen und Intellektuellen der in der Türkei lebenden Minderheiten um über die Probleme im Südosten des Landes zu sprechen. Anschließend verkündete Erdoğan am 12. August 2005 bei einem Besuch in Diyarbakır, dass die Probleme im Osten ein spezifisch kurdisches Problem (kürt sorunu) sind und er diesem Problem auf demokratischer Ebene begegnen will. Diese Äußerung wird in türkischen Medien bereits jetzt als historisch gewertet. Zum ersten Mal in der türkischen Geschichte wurde der spezifisch kurdische Charakter des Konfliktes im Osten der Türkei anerkannt.
Nach 40-jähriger Bemühung erreichte die Türkei am 3. Oktober 2005 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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