Türkei  5.3 Außenpolitik
Zu den außenpolitischen Konstanten gehören für die Türkei der Beitritt zur Europäischen Union, die Westbindung und das Verhindern eines eigenständigen kurdischen Staates. Die Türkei betrachtet sich auch als Schutzmacht der Turkmenen auf dem Balkan und im Nord-Irak. Darüber hinaus versucht die Türkei eine Führungsrolle bei den Turkstaaten (Aserbaidschan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan und Kasachstan) Zentralasiens einzunehmen und ihre Beziehungen zu den autonomen türkischen Republiken und Regionen zu verbessern. Ungewöhnlich für einen mehrheitlich von Muslimen bewohnten Staat sind die guten Beziehungen der Türkei zu Israel; es werden u. a. regelmäßig gemeinsame Militärmanöver durchgeführt.
Die heutige türkische Regierung bestreitet den Völkermord an den Armeniern von 1915/16 offiziell und versucht auf diplomatischen Wegen andere Staaten davon abzuhalten, den Völkermord offiziell anzuerkennen. Der Völkermord wird offiziell neben Armenien selbst durch folgende Staaten und Organisationen anerkannt: Belgien, Frankreich, Italien, Russland, Slowakei, Schweiz, die UNO und die EU.
Die Türkei und überstaatliche Organisationen:
Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der NATO und seit 1963 assoziiertes Mitglied in den Vorläuferorganisationen der EU und strebte seit über vier Jahrzehnten Verhandlungen über eine Vollmitgliedschaft zuerst in der EWG, später der EG und zuletzt in der Europäischen Union an. Am 16./17. Dezember 2004 beschloss der Europäische Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zum 3. Oktober 2005. Zuvor hatten dies sowohl die Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament befürwortet. Obwohl die Verhandlungen pünktlich begonnen haben, machen sich Beitrittsgegner weiterhin für eine Privilegierte Partnerschaft stark - diese wird jedoch von türkischer Seite und den meisten EU-Mitgliedstaaten abgelehnt.
Daneben ist die Türkei u. a. Mitglied bei den folgenden überstaatlichen Organisationen:
Vereinte Nationen mit Sonderorganisationen (UNO, 1945)
Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD, 1948)
Europarat (1952)
EG-Assoziierungs-Abkommen (1963)
Organisation der Islamischen Konferenz (OIC, 1969)
Europäische Bank für Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe ( EBRD, 1990)
Zentralasien-Gipfel der Türkischen Republiken (OATCT, 1992)
Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation (BSEC, 1992)
Internationaler Währungsfonds (IWF)
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE, 1995)
assoziiertes Mitglied der WEU (1995–2000)
EU-Zollunion (seit dem 1. Januar 1996).
Gruppe der acht Entwicklungsländer (1997)
EU-Beitrittskandidat (seit 3. Oktober 2005)
Konfliktfelder mit Nachbarstaaten:
Griechenland: Regionale Konfliktfelder sind die Herrschaftsräume in der Ägäis und der Zypernkonflikt. In der Ägäis geht es um den Verlauf der Grenze zwischen den beiden Ländern. Die Festlegung des Grenzverlaufes ist sehr umstritten, weil wirtschaftliche und militärische Interessen auf dem Spiel stehen. Wirtschaftlich geht es um potentielle Ölvorkommen, die beide Länder ausbeuten wollen. In letzter Zeit kam es aber zu einer Entspannung zwischen den beiden Staaten, obwohl die Unstimmigkeiten noch nicht geklärt sind (Stand 2004).
Zypern: Unstimmigkeiten wegen der in Nordzypern stationierten türkischen Soldaten. Der Versuch des griechischen Teils Zyperns, Flugabwehr-Raketen auf der Insel zu stationieren, führte Mitte der 1990er Jahre fast zu einem Krieg. Die griechisch-zypriotischen Raketen wurden letztlich nicht stationiert.
Syrien: Unterstützung der PKK durch Syrien veranlasste die Türkei in den späten 1990ern zu einer Kriegsdrohung gegenüber Damaskus. Syrien fühlt sich durch die enge militärische Kooperation zwischen Israel und der Türkei bedroht. Auch gibt es Streitigkeiten wegen des Euphratwassers. Der Bau von Staudämmen im Rahmen des Südostanatolien-Projekts führt auf Seiten von Syrien zu der Befürchtung, dass die Türkei eines Tages das Wasser als Machtinstrument benutzen könnte.
Irak: Die Türkei sieht im Falle eines Sieges der Kurden in Kirkuk bei den Wahlen am 30. Januar 2005 und dessen Eingliederung in die autonome Kurdenregion in Irak einen möglichen Kriegsgrund. Hintergrund ist, dass durch die reichen Ölfelder in Kirkuk ein wirtschaftlich überlebensfähiger, selbstständiger kurdischer Staat denkbar wäre. Durch einen Kurdenstaat im Nordirak könnte der Kurdenkonflikt in der Türkei erneut aufflammen.
Bulgarien: Die massive Unterdrückung der türkischen Minderheit in Bulgarien, die sich während der über 500-jährigen türkischen Besatzung Bulgariens von 1393 bis 1908 niederließ, sorgte insbesondere zeitens des Kalten Krieges stets für Spannungen zwischen den beiden Ländern. Mitunter kam es im Zuge des Widerstandes gegen das frühere sozialistische Regime in Bulgarien zu terroristischen Anschlägen durch die unterdrückte türkische Minderheit gegen Ziele in Bulgarien (u. a. Bombenanschlag auf einen voll besetzen Reisezug während einer Tunnelfahrt 1988). Heute ist der Konflikt weitestgehend beseitigt und die Regierungen beider Länder pflegen nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Türkei für Bulgarien gute Beziehungen.
Armenien: Die heutige türkische Regierung bestreitet den Völkermord an den Armeniern von 1915/16 offiziell und versucht auf diplomatischen Wegen andere Staaten davon abzuhalten, den Völkermord offiziell anzuerkennen. Der Völkermord wird offiziell neben Armenien selbst durch folgende Staaten und Organisationen anerkannt: Belgien, Frankreich, Italien, Russland, Slowakei, Schweiz, die UNO und der Europarat. Die Besetzung der aserbaidschanischen Region Bergkarabach durch Armenien belastet das Verhältnis zur Türkei, da die Türkei sich selbst als Schutzmacht Aserbaidschans versteht.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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