Belgrad  3 Geschichte
Belgrad ist eine Stadt mit einer langen und bewegten Vergangenheit.
In den Vororten Belgrads liegen die neolithischen Siedlungshügel Starčevo und Vinča. Die Stadt wurde mehr als fünfzigmal zerstört, und allein im 20. Jahrhundert wurde sie dreimal schwer beschädigt. Das erklärt auch, warum Belgrad wenige Gebäude besitzt, die mehr als hundert Jahre alt sind. Sehenswürdigkeiten aus alten Zeiten sind rar, und wer trotzdem auf sie nicht verzichten möchte, ist auf die vielen Museen der Stadt angewiesen. Ein weiterer Grund für den geringen Bestand an alten Gebäuden ist, dass die städtebauliche Struktur Belgrads vor 1867 einer ungeplanten Agglomeration von eingeschossiger Bebauung im so genannten Balkanstil entsprach. So wurden dann in der Planung von Emilijan Josimović (1867) Straßenfluchten begradigt und in der folgenden Stadtentwicklung eine Vielzahl neoklassizistischer Gebäude an deren Stelle errichtet, die das Bild des Stadtzentrums bis heute prägen.
Dem keltischen Stamm der Skordisker wird die Gründung von Singidun zugeschrieben. Um 279 v. Chr. wurde Singidun das erste Mal schriftlich erwähnt. Der Name bedeutete runde Festung oder runde Stadt. Singidun wurde durch die Römer um 86 v. Chr. erobert. Diese bauten das nun römische Singidunum als Festung weiter aus, doch sollte es lange Zeit im Schatten von Sirmium (heute Sremska Mitrovica in der Vojvodina an der Grenze zum engeren Serbien) stehen, das sogar die Hauptstadt einer der vier Präfekturen des Römischen Reiches war. Seit 488 gehörte Singidunum zum Oströmischen Reich. Die Byzantiner siedelten die Heruler zur Abwehr der Gepiden an.
Ende des 6. Jahrhunderts eroberten erstmals die mit den Awaren verbündeten Slawen Singidunum. Die Slawen nannten Singidunum weiße Festung oder weiße Stadt: Beograd, Belgrad, Beligrad, Biograd. Um 878 wurde diese Bezeichnung in einer päpstlichen Bulle erstmals schriftlich erwähnt. Seither wurde Belgrad auch Griechisch Weissenburg, Alba Graeca, Nándorfehérvár oder Castelbianco genannt. In Belgrad wechselten sich Bulgaren, Byzantiner und Ungarn ab.
Der erste serbische König, der die Stadt regierte, war Stefan Dragutin, der als ungarischer Vasall in der Zeit von 1282 bis 1316 eine Herrschaft im Norden Serbiens hatte. Nach seinem Tod herrschte wieder Ungarn über Belgrad. Stefan Uroš IV. Dušan (1331-1355), der mächtigste König des mittelalterlichen Serbien, sollte Belgrad kurzfristig seiner Herrschaft angliedern. Doch erst unter Stefan Lazarević (1389-1427) sollte Belgrad erstmals serbische Hauptstadt werden. Stefan Lazarević baute die Stadt großzügig aus, und angeblich zählte die Stadt damals an die 10.000 Einwohner. Konstantin der Philosoph, einer der letzten Universalgelehrten des byzantinischen Balkans, bezeichnete Belgrad als das neue Jerusalem und Konstantinopel.
1427 fiel Belgrad an Ungarn zurück und wurde zum wichtigsten ungarischen Stützpunkt gegen das aufstrebende Osmanische Reich. Vom 2. bis zum 22. Juli 1456 belagerte Sultan Mehmet II. die Stadt, wurde aber zurückgeschlagen. Schließlich eroberten die Osmanen unter Süleyman I. Belgrad nach dreiwöchiger Belagerungszeit 1521. Belgrad diente auch den Osmanen als wichtigster Stützpunkt für ihre Feldzüge gegen den Westen. 1688 gelang Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern die Rückeroberung, er konnte die Stadt jedoch nur bis 1690 halten. Am 5. August 1716 besiegte Prinz Eugen von Savoyen die Osmanen bei Peterwardein und nahm 1717 Belgrad ein. Zitat aus dem Lied „Prinz Eugen der edle Ritter“: „schlagen einen Brucken, dass man konnt' hinüber rucken mit d'r Armee wohl für die Stadt“. Und somit gehörten von 1718 bis 1739 Stadt und Comendatur des Königreichs Servien den Habsburgern. Die Belgrader Festung Kalemegdan hat ihre jetzige Form von den Habsburgern erhalten. Später wurden nur noch leichte Veränderungen vorgenommen.
1804 entschlossen sich die Serben zum Aufstand gegen die Osmanen. Zu ihrem Anführer wählten sie Karađorđe, den schwarzen Georg. Belgrad wurde von den Aufständischen 1806 erobert und sogleich zu ihrer Hauptstadt gemacht. Der Aufstand wurde zwar 1813 niedergeschlagen, doch schon 1815 wagten die Serben unter Miloš Obrenović einen zweiten Aufstand. Die Serben wurden ein autonomes Fürstentum, Belgrad wurde serbisch. Allerdings verblieb ein osmanisches Regiment in der Belgrader Festung. 1867 zwang Fürst Mihailo Obrenović die letzten osmanischen Regimenter ebenso wie die letzten türkischen Familien, das Fürstentum zu verlassen, und Belgrad wurde feierlich zur freien serbischen Hauptstadt geweiht. 1882 wurde das Fürstentum Serbien zum Königreich erklärt und Belgrad damit zur königlichen Hauptstadt.
Im Ersten Weltkrieg wurde Belgrad von habsburgischen Truppen schwer beschädigt, große Teile der Bausubstanz zerstört. Nach Beendigung des Krieges wurde Belgrad zur Hauptstadt des neu gegründeten Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen, die Stadt wieder aufgebaut. Am 6. April 1941 griffen die Achsenmächte ohne Vorwarnung oder Kriegserklärung Jugoslawien an, und Bombardements fügten der Stadt schwere Schäden zu, u. a. wurde die Nationalbibliothek durch einen Brand zerstört und Kulturgut in unschätzbarem Wert ging verloren. Am 20. Oktober 1944 wurde Belgrad schließlich durch die Rote Armee erobert.
Von 1944 bis 1991 war Belgrad sowohl die Hauptstadt des sozialistischen Jugoslawiens als auch der Teilrepublik Serbien. Neu-Belgrad (Novi Beograd), eine moderne Siedlung an der Mündung der Donau und Save gegenüber der Altstadt, wurde ausgebaut.
Belgrad war vom 1. bis 6. September 1961 Gastgeberin der Gründungskonferenz der Blockfreien Staaten. Im eigens dafür errichteten Sava Centar fand vom Okober 1977 bis zum März 1978 die erste Nachfolgekonferenz der KSZE statt.
Mit dem Zerfall des Zweiten Jugoslawien 1991/1992 wird Belgrad Hauptstadt der neu gebildeten Bundesrepublik Jugoslawien sowie vom 4. Februar 2003 bis zum 3. Juni 2006 der Staatenunion Serbien und Montenegro.
Der 1965 auf dem Berg Avala errichtete, 203 Meter hohe Fernsehturm, der auch für Touristen zugänglich war, wurde 1999 zerstört, als Belgrad im Rahmen des Kosovo-Krieges Ziel von Luftangriffen der NATO wurde. Bei der Bombardierung wurden auch zahlreiche Regierungsgebäude wie das Verteidigungsministerium und das Polizeipräsidium zerstört. Darüber hinaus waren Gebäude von Fernseh- oder Radiosendern, wobei 16 Mitarbeiter der RTS getötet wurden, sowie mehrere zivile Einrichtungen wie Elektrizitäts- und Wasserwerke, Telefonleitungen, Brücken und Straßen von den Angriffen betroffen. Getroffen wurden mitunter auch Schulen, Krankenhäuser und Wohngebäude sowie die Botschaft der Volksrepublik China, was einen Eklat auslöste. An mehreren Stellen ist das Stadtbild nach wie vor durch Kriegsruinen geprägt, die weder abgetragen noch wiederaufgebaut wurden.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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