Cordoba  8.4 Stadtbild, Architektur und Wohnsituation
Das Stadtbild von Córdoba ist uneinheitlich, da es Elemente verschiedener architektonischer Stilepochen weitgehend übergangslos in sich vereint.
Das Zentrum wurde ursprünglich von den barocken Bauten der Jesuiten aus dem 17. und 18. Jahrhundert dominiert. Dazu kamen mehrere neobarocke Gebäude aus der Zeit zwischen 1870 und 1930, als die Stadt ihre erste große Wachstumsphase hatte. Zahlreiche Neubauten aus dem 20. Jahrhundert haben den architektonischen Charakter jedoch nachhaltig verändert, so dass große Teile der Stadt heute einen modern-funktionalen Charakter haben. In einigen Ecken hat sich die Kolonialarchitektur jedoch noch erhalten, die betroffenen Bauten stehen unter Denkmalschutz.
In einigen ans Zentrum angrenzenden Stadtvierteln befinden sich ebenfalls noch zahlreiche Altbauten. Sie werden barrios tradicionales, traditionelle Stadtviertel, genannt. In diesen Vierteln, insbesondere in San Vicente, Alta Córdoba, General Paz, Pueyrredón und Juniors siedelten sich die wohlhabenden Einwandererfamilien ab Mitte des 19. Jahrhunderts an und bauten ihre villenhaften Residenzen in verschiedensten Baustilen. Ähnliches gilt für den neueren Cerro de las Rosas (ab den 1920er Jahren), das heute bekannteste Villenviertel, in dem man ebenfalls in der Architektur Remniszenzen an die Herkunft der Familien findet, so gibt es etwa Residenzen im Fachwerkhaus-Stil oder nachgebaute englische Landhäuser. Einige wenige Stadtviertel wurden nach den Einwandergruppen benannt, die sich dort ansiedelten, etwa das Barrio Inglés (Englisches Viertel) und das Barrio Armenio (Armenisches Viertel), beide im Stadtteil Pueyrredón; dort ballen sich die Wohnhäuser mit Elementen aus dem Herkunftsland der Einwanderer.
Einige Stadtviertel sind nicht natürlich gewachsen, sondern wurden auf dem Reißbrett geplant. Dies gilt insbesondere für Nueva Córdoba (Neu-Córdoba) südlich des Zentrums, das im Jahr 1886 vom Architekten Carlos Thays in das Projekt des Parque Sarmiento eingeplant wurde. Dort wurden die Häuser ebenfalls größtenteils im spanisch beeinflussten neobarocken Stil errichtet, in der zweiten Hälfte 20. Jahrhundert wurden diese Bauten jedoch von Hochhäusern verdrängt, die heute das Bild dieser Gegend dominieren.
Die Mittelklasse- und Arbeiterviertel der Außenbezirke sind architektonisch ähnlich uneinheitlich wie die der meisten anderen argentinischen Städte, ein urbanistisches Konzept fehlte hier oft völlig. Schlichte, funktionelle Flachbauten wechseln mit einigen wenigen aufwändiger errichteten Wohnhäusern ab.
Seit den 1990er Jahren wurden einige Wolkenkratzer im futuristischen Glasbeton-Stil in Córdoba errichtet. Das bekannteste ist die Torre Ecipsa (auch als Edificio Inteligente, intelligentes Gebäude, bezeichnet) in Nueva Córdoba, daneben ist das Sheraton-Hotel Córdoba westlich des Zentrums zu nennen. Die Tendenz setzte sich nach der Jahrtausendwende fort, zahlreiche ähnliche Bauten befinden sich in Bau oder in Planung. Dabei werden jedoch bei den Wolkenkratzern bei weitem nicht die Höhen wie etwa in den USA erreicht; das höchste Bauwerk, die Torre Ángela, misst nur 115 Meter.
Insgesamt hat Córdoba für eine Großstadt eine relativ niedrige Bevölkerungsdichte. Dies liegt daran, das in der Vergangenheit unkontrolliert an der Peripherie ständig neue Baugründe erschlossen wurden und dabei weite ungenutzte Flächen in relativ zentralen Teilen der Stadt übrig blieben. Erst seit wenigen Jahren wird mit gezielten Urbanisierungsplänen versucht, dieser Tendenz entgegenzuwirken, da die Zersiedlung zu hohen Kosten für die Infrastruktur führt. Außerdem werden die ungenutzten Flächen als Verstecke und Rückzugspunkte für Kriminelle angesehen, da sie nicht oder nur schlecht beleuchtet sind.
Wie viele andere südamerikanische Städte hat auch Córdoba zahlreiche Elendsviertel, die meist auf informeller Basis, also durch illegale Landnahme, entstanden. Etwa 110.000 Menschen. 8 % der Stadtbevölkerung, wohnten laut dem argentinischen Statistikamt INDEC 2001 in einer dieser Siedlungen, in Argentinien Villa Miseria genannt, je nach Schätzung gibt es zwischen 103 [11] und 158 [12] dieser informellen Siedlungen. Das größte Elendsviertel Villa La Tela liegt im Südwesten der Stadt und hat mit etwa 15.000 Einwohnern eine der höchsten Einwohnerzahlen aller argentinischen Elendsviertel überhaupt.
Die Wohnsituation hat sich in den letzten Jahren wegen einer vielfältigen Bautätigkeit sowohl seitens des Staates wie seitens von unabhängigen Kooperativen verbessert. Seit 2002 geht wegen neuer Programme des sozialen Wohnungsbaus die Zahl der Elendsviertel zurück. Allerdings entgegnen Kritiker, dass die Viertel selbst einen Verdichtungsprozess durchmachen und daher die Einwohnerzahl der Elendsviertel insgesamt nur wenig abgenommen habe.
Das bekannteste, aber auch umstrittenste Programm des sozialen Wohnungsbaus ist das von der Provinzregierung und der Interamerikanischen Entwicklungsbank finanzierte Nuevos Barrios - Mi Casa, Mi Vida (seit 2001), das die Elendsviertel gezielt in neugebaute, großflächige Wohngebiete umsiedelt. Das Programm, dessen Arbeiten vermutlich 2008 fertiggestellt sein werden, umfasst 11.100 Wohnungen [13] (ursprünglich sollten es 12.000 werden), damit soll laut der Provinzregierung die Zahl der Elendsviertel bis 2005 um 70 gegenüber der Zahl von 2001, also auf deutlich weniger als 100, gesunken sein [14]. Bei diesem Programm wurde von Kritikern allerdings bemängelt, dass die Viertel weit außerhalb des Stadtzentrums angelegt wurden und die zu den untersten sozialen Schichten gehörenden Bewohner daher weite Wege zu ihren Arbeitsplätzen zurücklegen mussten. Außerdem wurde die Monumentalität des Projektes als nicht mehr zeitgemäß betrachtet, da so nach Meinung vieler Experten die Bildung von ghettoartigen Gesellschaften und deren Ausgrenzung durch den Rest der Stadtbevölkerung favorisiert wird [15]. Einen Hinweis auf den Wahrheitsgehalt dieser Kritiken lieferte im Jahr 2005 ein regelrechter Volksaufstand im Mittelklasseviertel Matienzo, wo tausende Anwohner mit Straßenblockaden wochenlang gegen die Ansiedlung eines dieser neuen Viertel in seiner unmittelbaren Umgebung protestierten. [16]
Von einem anderen Standpunkt geht das vom Bundesstaat angeleitete Programm Promeba (Programa de Mejoramiento de Barrios) aus, das vom brasilianischen Favela-Bairro inspiriert wurde. Es sieht die gezielte Urbanisierung der Elendsviertel selbst vor. Integriert ins Promeba ist das Unterprogramm Arraigo, das die Legalisierung der Grundstückstitel vorsieht, wenn sich die Elendsviertel auf Territorium des Staates befinden. Mehrere Viertel von Córdoba werden derzeit nach diesem Modell urbanisiert.
Die Kooperativen wiederum werden von den Nichtregierungsorganisationen SERVIPROH und SEHAS mit Rechtsbeistand betreut. Sie bauen billige Wohnungen in kleinen Mengen in der Nähe der ursprünglichen Ansiedlungen, mit dem Ziel, die Integration der Bewohner in ihrem Siedlungsgebiet beizubehalten. Des Weiteren werden einige Sozialwohnungskomplexe auch von Gewerkschaften erbaut, wie das im Süden von Córdoba gelegene Hochhausviertel Barrio SEP.
Die Bautätigkeit ist aber auch in wohlhabenderen Gebieten der Stadt sehr aktiv. So ist das Viertel Nueva Córdoba südlich des Zentrums, das früher eine regelrechte Altstadt war, seit den 1990er Jahren zu einem Boomviertel mit vielen Hochhäusern und hohen Quadratmeterpreisen geworden. Auch in weiter außerhalb gelegenen Vierteln werden immer mehr Wohnblocks und Hochhauskomplexe gebaut. Ebenfalls seit den 90er Jahren boomt der Bau von geschlossenen, großflächigen Wohnanlagen für die Oberklasse in der Peripherie, die in Argentinien als Country Clubs bezeichnet werden. Neuere Erscheinungsformen sind eingezäunte bewachte integrierte Hochhauskomplexe in zentraleren Gegenden sowie geschlossene Wohnanlagen mit kleineren Grundstücken für die Mittelklasse.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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