Mexiko-Stadt  4.4 Die neuzeitliche Stadt
Über das Gebiet des trockengelegten Sees hinaus dehnte sich die Stadt allmählich aus. Für eine moderne Stadt war die Lage in vieler Hinsicht ungünstig. In den unzureichend trockengelegten Sümpfen wohnte das Fieber, und die indianische Bevölkerung wurde immer wieder von aus Europa eingeschleppten Seuchen dahingerafft. Viele Gebäude sackten über die Jahrzehnte wegen des weichen, sumpfigen Untergrunds ab, und die regelmäßig auftretenden Erdbeben helfen bei der Zerstörung noch kräftig nach. Im Zentrum stößt man auf alte, in den Boden versunkene Kirchen und Wohnhäuser.
Während der Revolution verloren fast zwei Millionen Mexikaner ihr Leben und eine noch viel größere Zahl ihr Eigentum und ihre Existenzgrundlage. Tausende Verzweifelter flüchteten in die sich schnell industrialisierende Hauptstadt auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen. Zwischen 1920 und 1940 verdoppelte sich die Einwohnerzahl der Stadt auf 1,8 Millionen, in der Infrastruktur klafften riesige Löcher und die sozialen Probleme verschärften sich.
An der Plaza de las Tres Culturas zeigte sich am 2. Oktober 1968 der Staat von seiner grausamsten Seite. Truppen und Panzer gingen gegen fast 250.000 demonstrierende Studenten vor. Es war der Höhepunkt monatelanger Studentenproteste gegen die schlechten sozialen Verhältnisse, miserablen Unterrichtsbedingungen und demokratischen Defizite der de facto diktatorischen Regierung der Einheitspartei PRI (Partido Revolucionario Institucional). Da nur noch zehn Tage bis zur Eröffnung der Olympischen Sommerspiele von Mexiko-Stadt fehlten, wurde der Aufruhr mit brutaler Gewalt unterdrückt. Die Zahl der Todesopfer belief sich nach offiziellen Verlautbarungen auf 30, nach Aussagen der Studenten auf über 500. Das Ereignis ging als „Massaker von Tlatelolco“ in die Geschichte ein.
1968 hatte die Stadt eine Einwohnerzahl von sechs Millionen erreicht. Der Bau von Häusern konnte gar nicht so schnell vollzogen werden, dass er mit dem jährlichen Bevölkerungszuwachs von sieben Prozent hätte mithalten können, und viele Menschen konnten sich keine Häuser leisten, was die Entwicklung riesiger Slums mit selbst gezimmerten Elendshütten zur Folge hatte. Die meisten hatten weder Wasser noch Sanitäranlagen, die diesen Namen verdienten. Die Versuche der Behörden, das Los der Slum-Bewohner durch Verbesserung der Infrastruktur zu erleichtern, wurden, kaum dass eine Siedlung an die Strom- und Wasserversorgung angeschlossen war, mit einer neuen Ansiedlung von Hütten dahinter belohnt.
Des Weiteren konnte das öffentliche Verkehrsnetz mit der wuchernden Stadt nicht Schritt halten, und schließlich wurde Ende der 1960er Jahre mit dem Bau einer U-Bahn begonnen. Im Jahre 2000 wurde der 175. U-Bahnhof eingeweiht, und weitere U-Bahnstationen sind geplant. Das Wachstum hält an: Laut Schätzungen kommen jeden Tag tausend Zuzügler in die Stadt, deren Grenzen inzwischen die des Distrito Federal gesprengt haben und in den Bundesstaat México hineinreichen. Als eine der am dichtesten besiedelten Metropolregionen der Welt wird sie unweigerlich von zahlreichen sozialen und strukturellen Problemen geplagt, deren Lösung in naher Zukunft wohl nicht bevorsteht.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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