Wien  3.9 Besatzung, Zweite Republik, Wiederaufbau
Wenige Tage nach dem Ende der Kämpfe des Zweiten Weltkriegs im Raum Wien sorgte die Rote Armee für den Aufbau einer neuen Stadtverwaltung. Der Kommunist Rudolf Prikryl wurde am 13. April kurzfristig zum Bürgermeister ernannt; drei Tage später wurde er von Theodor Körner (SPÖ) abgelöst, der bis 1951 amtierte. Auch politische Parteien formierten sich wieder. Am 27. April beschlossen Vertreter der SPÖ, der ÖVP und der KPÖ im Wiener Rathaus die Unabhängigkeitserklärung Österreichs (im ersten Gesetzblatt der Zweiten Republik veröffentlicht und seither im Verfassungsrang stehend). Am 29. April wurde das Parlamentsgebäude von der Besatzungsmacht an die neue provisorische Regierung übergeben und Dr. Karl Renner verkündete die Wiederherstellung der „demokratischen Republik Österreich”.
Erst im Herbst 1945 ließen die Sowjets auch Militärkontingente der anderen drei Alliierten, USA, Großbritannien und Frankreich, nach Wien; es blieb dann bis 1955 Viersektorenstadt. Im 1. Bezirk, der keiner der vier Besatzungsmächte fix zugeteilt war, wechselte die Besatzung jeden Monat. Die Vier im Jeep waren Patrouillen der interalliierten Militärpolizei, zu denen jede der vier Mächte je einen Soldaten stellte. In dieser Zeit war Wien ein wichtiger Platz für Geheimagenten und Schieber, wie sie 1948-49 im berühmten Film Der dritte Mann dargestellt wurden.
Nach dem Krieg erfolgte in Wien, wie überall im Land und in Westeuropa, ein beispielloser Wirtschaftsaufschwung, an dem der Marshall-Plan ganz wesentlichen Anteil hatte. Die Stadt wurde unter Mithilfe von „Trümmerfrauen“ rasch vom Schutt befreit, der Wiederaufbau begann. Der Stephansdom erhielt ein neues Dach. 1952 wurde seine in St. Florian bei Linz, Oberösterreich, neu gegossene große Glocke, die „Pummerin“, im Festzug nach Wien gebracht. Der bisherige Bürgermeister Theodor Körner war 1951 zum Bundespräsidenten gewählt worden. Ihm folgte Franz Jonas (1951-1965) im Amt nach.
Am 15. Mai 1955 erlangte Österreich mit dem Österreichischen Staatsvertrag die volle Freiheit zurück. Die Besatzungstruppen zogen bis Herbst 1955 ab. Wiener Straßen und Brücken, die 1945 zur Ehre der Sowjetunion umbenannt worden waren (z.B. Brücke der Roten Armee, Stalinplatz, Tolbuchinstraße), erhielten ihre heimischen Namen zurück. Das große Denkmal der Roten Armee, die bei der Befreiung Wiens viele Tausende Gefallene zu beklagen hatte, auf dem Schwarzenbergplatz wurde in die Obhut Österreichs übernommen. Burgtheater und Staatsoper wurden im Herbst 1955 feierlich wiedereröffnet. Auch die Opernpassage (damals nach dem Bürgermeister volkstümlich „Jonasgrotte“ genannt), das erste große unterirdische Verkehrsbauwerk für Fußgänger, wurde im Herbst 1955 eröffnet.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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