Algerien  4 Geschichte
Ursprünglich war das Gebiet des heutigen Algerien von berberischen Volksstämmen bewohnt, im Osten von Tuareg. Vom 12. Jh. v. Chr. an errichteten die Phönizier an der Küste Handelsstützpunkte und gründeten 814 v. Chr. die Handelsstadt Karthago im heutigen Tunesien, die sich in der Folge zur Großmacht im westlichen Mittelmeer entwickelte. Um 202 v. Chr. schlossen sich die Berber-Stämme (Mauren) unter Massinissa zum Königreich Numidien zusammen und verbündeten sich mit Rom gegen Karthago. Die Erhebung Karthagos gegen Massinissa 149 v. Chr. lieferte Rom den erwünschten Vorwand für den Dritten Punischen Krieg , in dessen Verlauf Karthago zerstört wurde. 46 v. Chr. unterwarf Rom Numidien und vereinigte es mit Karthago zur römischen Provinz Numidia-Mauretania. Bis zum Einfall der Vandalen im Jahre 429 n. Chr. war diese die Kornkammer Roms. Die Vandalenherrschaft endete 534 mit der Eroberung durch Truppen des oströmischen Kaisers Justinian I.. Nordafrika wurde byzantinische Provinz.
Schon seit dem 3. Jh. hatte das Christentum in Nordafrika an Einfluss gewonnen. In den großen Städten waren mehrere Bistümer entstanden: So war der hl. Augustinus der bedeutendste Kirchenlehrer des frühen Christentums, Ende des 4. Jh. Bischof von Hippo Regius, dem heutigen Annaba. Um die Mitte des 7. Jh. stießen die Araber in den Maghreb vor. 697 eroberten sie einen Großteil des heutigen Algerien. Die Bevölkerung wurde größtenteils islamisiert. Im Laufe des 8. Jh. kam es wiederholt zu Aufständen der Berber gegen die arabischen Eroberer: 757 wurden die Berber-Reiche im Atlasgebirge vom Kalifat unabhängig, während die drei sich herausbildenden Fürstentümer der Idrisiden, Aghlabiden und Ziriden unter dessen Herrschaft gerieten.
Im 11. Jahrhundert konnte sich die Berber-Dynastie der Almoraviden im Gebiet des heutigen Algerien durchsetzen; sie beherrschte das Land fast 100 Jahre, bis sie 1147 von den Almohaden abgelöst wurde. Diese Dynastie eroberte in der Folgezeit den Maghreb und Südspanien; in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zerfiel das Reich dann jedoch. Ostalgerien wurde Teil eines tunesischen Fürstentums, im Westen bildete sich von 1269 an das Königreich der Abd-al-Wadiden mit der Hauptstadt Tlemcen (heutiges Tilimsen) heraus.
Anfang des 16. Jahrhundert versuchten die Spanier, an der algerischen Küste Fuß zu fassen. Daraufhin unterstellte sich das Land 1519 der Oberhoheit des Osmanischen Reiches und wurde Vasall; seit 1711 war das Gebiet aber wieder faktisch unabhängig. Bis ins 19. Jahrhundert hinein konnte sich Algerien gegen die Versuche der Spanier, Niederländer, Briten und Franzosen zur Eindämmung der Seeräuberei erfolgreich zur Wehr setzen.
1830 begannen die Franzosen mit der Eroberung des Landes und der Bekämpfung der Piraterie. Die Versuche des Berber-Führers Abd el-Kader (1808 bis 1883), die Franzosen zu vertreiben und ein großarabisches Reich zu schaffen, konnte Frankreich erst nach langen Kämpfen 1847 beenden. Auch in den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Aufständen gegen die Kolonialmacht. Zahlreiche französische Siedler strömten in die Kolonie. Die einheimischen Bauern wurden von ihren Ländereien in weniger fruchtbare Gebiete vertrieben. Um die Jahrhundertwende eroberten die Franzosen auch die Saharagebiete Algeriens und es wurde ein Département Frankreichs. Die Bevölkerung war jedoch in Bürger erster und zweiter Klasse unterteilt, in französische Staatsbürger (Algerien war Siedlungskolonie.) und Nichtfranzosen.
Im September 1947 wurde allen Algeriern die französische Staatsbürgerschaft zuerkannt (Algerien-Statut). Diese Reaktion auf das Erstarken der seit Ende der 30er Jahre bestehenden algerischen Unabhängigkeitsbewegung konnte den Kampf um die Loslösung von Frankreich jedoch nicht aufhalten. Zum Aufschwung der Unabhängigkeitsbewegung kam es, als 1945 nach Unruhen in Setif und Guelma zehntausende Algerier von der französischen Armee massakriert wurden. Der Algerienkrieg (1954 bis 1962) wurde von beiden Seiten mit äußerster Härte geführt. Unter Führung der Nationalen Befreiungsfront (Front de Liberation Nationale/FLN) erkämpfte das algerische Volk die Unabhängigkeit, die am 18. März 1962 im Abkommen von Evian anerkannt wurde. Am 5. Juli (Nationalfeiertag neben dem Tag der Revolution am 1. November) 1962 wurde offiziell die Unabhängigkeit proklamiert. Die Gesamtzahl getöteter Algerier wurde von Frankreich später mit 350.000, von algerischen Quellen mit bis zu 1,5 Millionen angegeben.
Erster Staatspräsident wurde Ferhat Abbas. Nach dessen Absetzung folgte 1963 Muhammad Ahmed Ben Bella, bis Verteidigungsminister Oberst Houari Boumedienne durch einen Militärputsch im Juni 1965 an die Macht gelangte. Seine Regierung versuchte zunächst, durch eine verstärkte Sozialisierungspolitik und durch eine Öffnung gegenüber dem Ostblock Algeriens wirtschaftliche Abhängigkeit von Frankreich zu überwinden. Ab 1972 verfolgte sie jedoch einen Kurs der Blockfreiheit und knüpfte Kontakte zum Westen. Nach dem Tod Boumediennes übernahm 1978 zunächst Rabah Bitat kommissarisch das Präsidentenamt, bis im Februar 1979 Oberst Chadli Bendjedid zum Präsidenten gewählt wurde. Mitte 1988 brachen schwere Unruhen aus, die zur Aufgabe des Machtmonopols der FLN führten. Ursache waren unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot. Eine Demokratisierung wurde eingeleitet und eine neue demokratische Verfassung, die die Trennung von Partei und Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten und Garantien der Menschenrechte vorsah, geschaffen.
Der wirtschaftliche Niedergang um 1990 führte zum Aufschwung der islamistischen Bewegung. Nach dem sich abzeichnenden Sieg der Islamischen Heilsfront (Front islamique du salut/FIS) bei den Parlamentswahlen 1991/92 wurden die Wahlen abgebrochen; Präsident Benjedid trat unter dem Druck des Militärs zurück. Als Übergangspräsidenten setzte dieses zunächst Muhammad Boudiaf, nach dessen Ermordung Ali Kafi und schließlich 1994 General Liamine Zeroual ein. Im März 1992 erfolgte die Anordnung zur Auflösung der FIS, die daraufhin zum bewaffneten Kampf aufrief. Seitdem führten militante Islamisten einen Guerillakrieg, dem seither über 120.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Vor allem Jugendliche waren enttäuscht darüber, dass durch die FIS die bestrebte Liberalisierung abgebrochen wurde. Durch ihre Hoffnungslosigkeit ergab sich ihr Rückfall zur islamistischen Radikalisierung; ihr einzig übriggebliebener und deshalb bewährter Halt.
Abd al-Asis Bouteflika (FLN), seit 1999 mit der Rückendeckung des Militärs zum Präsidenten von Algerien gewählt, versuchte von Anbeginn seiner Regierungszeit, mit einem Friedensplan eine Aussöhnung mit islamistischen Extremisten und somit ein Ende des Bürgerkrieges zu erreichen. Im Jahr 2003 mussten die Minister Mourad Medelci und Abdelhamid Temmar unter dem massiven Druck des Gewerkschaftsdachverbands UGTA zurücktreten. Er hatte im Februar jenes Jahres - zum zweiten Mal seit Beginn des Jahrzehnts – einen dreitägigen Generalstreik durchgeführt, der sich gegen das Privatisierungsprogramm der Regierung richtete. An dem Streik nahmen über 90 % der Arbeiter teil.
Am 8. April 2004 fand eine erneute Präsidentschaftswahl statt. Nach einem Wahlkampf, in dem der gesamte Staatsapparat inklusive der staatlichen Massenmedien für eine maßgeschneiderte Darstellung des Präsidenten mobilisiert wurde, ließ Bouteflika das Wahlergebnis von 83 % der Stimmen verkünden. Bouteflika ist damit der erste Präsident Algeriens, der ein zweites Mandat erhält. Präsidentschaftskandidat Ali Benflis sprach von Betrug. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprachen aber von einer fairen Wahl. In der Folgezeit gelangen der Regierung mehrere gezielte Operationen gegen Islamisten, die umgekehrt aber wiederum auch verstärkte Angriffe auf Repräsentanten des Staates nach sich zogen.
Am 1. Mai 2005 kam es zu einer Regierungsumbildung. Mehrere Minister wurden durch ihre jeweiligen Vorgänger ersetzt, die nun vor allem in Schlüsselpositionen der Wirtschaftspolitik sitzen. Die Reformer Medelci und Temmar übernahmen das Finanz- bzw. Investitionsförderungsministerium. Sie setzen sich für die Privatisierung öffentlicher Betriebe und die Öffnung des Erdöl- und Erdgassektor für private Investitionen ein.
Am 30. September 2005 stimmten die algerischen Wähler für die nationale Versöhnung. Bei einem Referendum über die "Charte pour la paix et la réconciliation nationale" stimmten 97 % der Wähler für den Plan der Regierung Bouteflika. Dieser bedeutet eine Amnestie für viele islamistische Extremisten. Die Mehrheit der Algerier will einen Schlussstrich unter die Bürgerkriegsära ziehen. Die Opposition, die zu einem Boykott des Volksentscheides aufgerufen hatte, kritisierte das Ergebnis als Wahlfälschung.
Am 27. Februar 2006 wurde das Gesetz zur Anwendung des Planes erlassen. Im Artikel 45 wird die Straffreiheit für Sicherheitskräfte festgeschrieben: "Keine Strafverfolgung kann eingeleitet werden gegen Einzelne oder Gruppen, die irgendeinem Bestandteil der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte der Republik angehören, für Taten, die in der Absicht unternommen wurden, Personen und Güter, die Nation oder Institutionen der Demokratischen Volksrepublik Algerien zu schützen. Die zuständigen Justizbehörden müssen jede Anzeige oder Beschwerde abweisen".
Kapitel 1 sieht vor, dass Mitgliedern und Unterstützern von bewaffneten Gruppen Straffreiheit gewährt wird, wenn sie keine "Blutverbrechen" verübt haben. Sie müssen sich innerhalb der nächsten sechs Monate den Behörden stellen. Diejenigen, die bereits bestraft wurden und in Gefängnissen einsitzen, werden freigelassen. Diejenigen, die "Blutverbrechen" begangen haben, können eine Strafminderung erwarten, wenn sie sich innerhalb der genannten Frist stellen.
Darüber hinaus sieht der Artikel 46 die Bestrafung derjenigen vor, die schriftlich oder mündlich den "Staat schwächen", "der Ehrenhaftigkeit seiner Bediensteten, die ihm würdevoll gedient haben, Schaden zufügen" oder "das Bild Algeriens international trüben". Eine Gefängnisstrafe zwischen 3 und 5 Jahren und eine Geldstrafe zwischen 250.000 und 500.000 DA kann bei diesen Verstößen verhängt werden.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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