Armenien  5.1 Frühgeschichte und Antike
Die Nairi-Länder
Die Ursprünge des heutigen Armeniens liegen (geographisch) zwischen den drei Seen Sewansee, Vansee und Rezaiyehsee (Urmiasee), also im Dreiländereck Iran, Türkei und GUS. Dieses Gebiet war schon im 3. Jahrtausend vor Christi Geburt von einer Bevölkerung mit einer einheitlichen Kultur besiedelt. Doch landschaftliche Gegebenheiten (Zergliederung des Landes durch Gebirgsketten und Flüsse) verhinderten die Bildung einer größeren politischen Einheit bis ins 9. Jahrhundert v. Chr. hinein. Im 13. Jahrhundert v. Chr. kam es durch die Wanderung der Seevölker zu größeren Bevölkerungsbewegungen, die Kleinasien und auch Armenien erfaßten und zur Gründung einer Vielzahl von Kleinfürstentümern führten, den Nairi-Ländern. Sie sind erstmals unter dem Namen Uratri zur Zeit König Salmanassar I. von Assyrien (ca. 1280-1256 v. Chr.) erwähnt. Die Assyrer zogen oft gegen die Nairi-Länder, um sie tributpflichtig zu halten. So berichtete König Tukulti-Ninurta I. (Sohn Salmanassars I.) von einem Feldzug, in dem er 43 Nairi-Könige besiegte.
Das Königreich Urartu
Um sich gegen die Assyrer wehren zu können, kam es dann unter Aramu (Arame) von Arzaskan (ca. 880-844 v. Chr.) zur Vereinigung der Nairi-Länder zum Königreich Urartu. Dies stieg schnell zu hoher Blüte auf. Sadur I. (ca. 844-825) gründete die Stadt Tuspa (Tuschpa) (das heutige Van), die zur Hauptstadt des Reiches wurde. Seine Nachfolger vergrößerten das Reich weiter und führten es zu hoher Blüte, viele Städte wurden neu gegründet (wohl zur Sicherung der eroberten Gebiete). Unter Menuas Herrschaft (ca. 810-785 v. Chr.) entwickelten sich Handwerk und Landwirtschaft. Magazine und Getreidespeicher zur Versorgung der Bevölkerung künden noch heute davon. Auch legte er einen 70 km langen Kanal zur Süßwasserversorgung aus dem Hosap-Tal nach Van an (der Vansee ist salzig). Heute wird er fälschlich nach der babylonischen Königin Semiramis benannt. Unter Sadur II. (ca. 765-733 v. Chr.) erreichte Urartu seine größte Ausdehnung. Doch im Bestreben, die Vormachtstellung der Assyrer zu brechen überspannte er seine Kräfte und wurde von ihnen vernichtend geschlagen. Urartu mußte viele Gebiete abtreten, konnte sich aber unter Rusa I. (ca. 733-714) wieder erholen, ehe die Assyrer Urartu erneut besetzten. Der assyrische König Sargon II. (721-704 v. Chr.) zerstörte im Jahre 714 das blühende urartäische Reich. Rusa I beging Selbstmord und seine Nachfolger versuchten das Reich erneut zu festigen. Doch von diesem Schlag erholte sich Urartu nicht mehr. Es versank in der Bedeutungslosigkeit und wurde ca. 585 v. Chr. von Skythen und Medern endgültig zerschlagen und wurde medische Provinz. (Andere Quellen sprechen von ca. 625 v. Chr. .)
Die Bildung Armeniens
In persischer Zeit wurde der Name Armenien (ca. 520 v. Chr.) erstmals erwähnt, und zwar auf einer dreisprachigen Inschrift. Auf assyrisch wird von Urastu (assyrisch für Urartu) gesprochen, auf persisch von Arminia (Armenien). Ging man ursprünglich davon aus, daß die Armenier die Urartäer verdrängt hatten, so ist nach heutigen Kenntnissen eine Vermischung und Assimilierung wahrscheinlicher, wofür auch die zwei Namen für die gleiche Region sprechen würde. Als Beweis wird oft auf Reliefdarstellungen der Assyrer und Perser hingewiesen, auf denen die Kleidung der Armenier denen der Urartäer sehr ähnlich ist. Wann und von wo die Armenier nach Urartu einwanderten ist umstritten. Sie müßten den Zahlen nach zwischen 585 (625)-521 v. Chr. eingewandert sein, eine recht kurze Zeit um sich mit den Ureinwohnern zu vermischen und deren Führung zu übernehmen. Wahrscheinlicher scheint, wie Herodot berichtete, dass sie im 7. Jahrhundert v. Chr. unter Arame (Armenos) aus Phrygien einwanderten. Eine Behauptung, die dadurch gestützt wird, daß sowohl das phrygische als auch das altarmenisch dem indoeuropäischen Sprachkreis angehörten. Woher sie auch kamen, fest steht, daß sie ein indoeuropäisches Volk waren, Urartu in Besitz nahmen und es unter ihrer Führung zu einem neuen Staat, zu Armenien entwickelten.
Die Perser
Ab ca. 546-331 v. Chr. wurde das Land von den Persern beherrscht, die inzwischen die Meder verdrängt und deren Reich übernommen hatten, ja es sogar zum ersten Weltreich ausbauten, das von Kleinasien bis nach Indien reichte. Die Provinz Armenien kam als Teil der Großsatrapie Medien an die Perser. Armenien selbst war nochmals in Ost- und Westarmenien aufgeteilt, wobei der Ostteil die Oberherrschaft über den Westen hatte. Bruno Jacobs schreibt über die Zeit: "... über das Schicksal Armeniens unter der Achämenidenherrschaft macht deutlich, daß das Land in jenen zwei Jahrhunderten gleichsam im Windschatten der Geschichte lag. Das Satrapiensystem im Perserreich konservierte Armenien als geopolitische Einheit in Form einer Provinz. Bevor das Land im Hellenismus als eigenständiges Königreich selbst Geschichte machte, erfahren wir nur wenig über seine Bevölkerung, ihre Sitten und Gebräuche." [1]
Alexander der Große und die Seleukiden
334 v. Chr. begann Alexander der Große mit seinem Feldzug gegen die Perser und eroberte Persien in wenigen Jahren. Sein Ziel bestand darin, die Herrschaft der Hellenen durch Verschmelzung der Kulturen auf Dauer zu festigen (Massenhochzeit von Susa, eigene Heirat mit der Tochter des Dareios III.). Doch konnte er sein Werk nicht beenden, da er 323 v. Chr. in Babylon an Fieber starb. Armenien kam auch unter hellenistischen Einfluß, doch wurde es nicht erobert. Seine Nachfolger (Diadochen) teilten das riesige Reich unter sich auf (Diadochenreiche). Armenien kam in den Interessenbereich der Seleukiden, die Armenien zwischenzeitlich (215-190 v. Chr.) auch beherrschten. Deren Reich umfaßte Persien, Mesopotamien und Teile Kleinasien.
188 v. Chr., nach der Niederlage des größten Diadochenstaates, des Seleukidenreiches, gegen die Römer in der Schlacht von Magnesia erlangte die Dynastie der Artaxiden die Macht. Sie etablierte Großarmenien als unabhängiges Königreich. Um 95 bis 55 v. Chr. erreichte die Macht des Artaxiadenstaates ihren Höhepunkt. Tigranes der Große ließ sich zum König der Könige ausrufen. Sein Bündnis mit Mithridates von Pontos brachte ihn in Konflikt mit den Römern, deren Oberhoheit er letztendlich anerkennen musste.
Den in Mesopotamien und dem Iran herrschenden Parthern gelang es Vertreter des eigenen Herrscherhauses, der Arsakiden (Arschakuni), auf den Thron zu setzen. Das Römische Reich erkannte dies 66 n. Chr. an.
Zwischen 252 und 297 gelang es den Sassaniden, Großarmenien unter ihren Einfluss zu bringen. Erst nachdem Diokletian die Sassaniden 297 (oder 298) besiegte, mussten diese die Oberhoheit aufgeben. Trdat III. aus dem Haus der Arsakiden bestieg den Thron und erklärte 301 n. Chr. das Christentum zur Staatsreligion. Armenien wurde so der erste christliche Staat der Welt.
387 teilten Rom und das persische Reich der Sassaniden das großarmenische Königreich untereinander auf (siehe auch Persarmenien). In dieser Zeit entwickelten die Armenier eine hochstehende christliche Kultur, Literatur und Baukunst – vor allem nach der Schaffung eines eigenen Alphabets durch Mesrop Maschtoz im Jahr 406.
Als die Sassaniden unter Yazdegerd II. versuchten, die zoroastrische Staatsreligion in Armenien einzuführen, kam es 451 zu einem Aufstand der Armenier. Es folgte ein langer Guerillakrieg, der schließlich mit der Anerkennung des Christentums 484 durch die Sassaniden endete.
Im 6. Jhd. wurde Armenien zu einem der Hauptkampfgebiete zwischen dem Byzantinischen Reich und den Sassaniden (siehe Römisch-Persische Kriege). Von 591 bis etwa 640 gelang es den Byzantinern, den Großteil von Großarmenien unter ihre Kontrolle zu bringen. Allerdings führte die Besetzung zu Aufständen des armenischen Adels. Die Oberhoheit über das Gebiet wechselte später mehrfach zwischen Byzanz und dem Kalifat.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
GNU-Lizenz für freie Dokumentation