Brasilien  10.3 Musik
Die brasilianische Musik ist von portugiesischen, afrikanischen und indigenen Musiktraditionen beeinflusst worden. Über die indigene Musik der vorkolonialen Zeit ist kaum etwas bekannt, die erste Beschreibung datiert aus dem Jahre 1568. Ein französischer Pastor beschrieb damals in einem Buch über seine Reise in das Land die Tänze und Gesänge der Ureinwohner. Die Musik veränderte sich unter dem Einfluss der europäischen Siedler und afrikanischen Sklaven.
1922 kam es durch die Semana de Arte Moderna (Woche der modernen Künste) zu einer musikalischen Revolution. Mit Heitor Villa-Lobos an der Spitze entstand eine Gruppe neuer Komponisten, die Elemente der brasilianischen Folklore in ihre moderneren Lieder einbauten. In den 1950er Jahren kam der Bossa Nova auf. Diese Musikrichtung gilt als die „brasilianische Variante des Jazz“: sie lehnt sich an nordamerikanischen Jazz an, bleibt aber geprägt von südamerikanischen und afrikanischen Rhythmen. Als bekanntester Vertreter und Mitbegründer des Bossa Nova gilt Antônio Carlos Jobim. Er verhalf dem Stil in den 1960ern zu großem internationalem Erfolg. Sein Wirken erreichte für Brasilien eine derart große Bedeutung, dass man u.a den internationalen Flughafen von Rio de Janeiro nach ihm benannte. Einer der größten Hits des Bossa Nova in den 60er Jahren schrieb und sang Sérgio Mendes mit Mas que nada. Dieser Titel wurde später unzählige Male kopiert. Heute wird der Bossa Nova vorwiegend von den älteren Brasilianern gehört. Der Tropicalismo (auch Tropicália) entstand Ende der 1960er Jahre zur Zeit der Militärdiktatur. Musikalisch handelt es sich um eine Mischung aus Bossa Nova, Folk und Rock, das wesentliche Element ist aber ein gemeinsames politisches Bewusstsein der Künstler. Ihre Abneigung gegen die Diktatur und die Einschränkung ihrer Rechte fand im Tropicalismo ihren Ausdruck. Die Texte sind daher im allgemeinen regimekritisch und nicht wenige Musiker mussten ins Exil gehen. Wichtige Vertreter sind Gilberto Gil und Chico Buarque, die es mit geschickter Chiffrierung ihrer Liedtexte sogar geschafft haben, die Zensur zu umgehen und ihre Lieder in Brasilien zu veröffentlichen. Gilberto Gil übt seit 1. Januar 2003 das Amt des Kulturministers von Brasilien aus. Seine Zielsetzung ist es, den Zugang zur Kultur zu demokratisieren. Er unternimmt Reisen in entlegene Gebieten des Landes, um den Menschen dort zu sagen, dass sie wichtige Träger der brasilianischen Kultur sind.
Entgegen ihrem Namen hat die Música Popular Brasileira, oft mit MPB abgekürzt, nur wenig mit dem gemeinsam, was man hierzulande unter Popmusik versteht. Die Bezeichnung umfasst eine Vielzahl an Stilrichtungen, die aber stets typische Elemente aus einzelnen Regionen des Landes aufgreifen. In Brasilien gilt MPB als Ausdruck des musikalischen und nationalen Selbstverständnisses. In diesem Sinne stellt MPB gewissermaßen eine Weiterentwicklung der brasilianischen Folklore dar.
Die wohl bekannteste brasilianische Musikform ist der Samba. Er entstand aus der Musik der afrikanischstämmigen Bevölkerungsteile und ist sehr rhythmuslastig. Populär wurde der Samba durch den jährlichen Karneval in Rio. Dort präsentieren sich die größten und renommiertesten Sambaschulen in riesigen Paraden im Wettstreit um den Titel der „besten Sambaschule Brasiliens“. Neben den Umzügen zur Karnevalszeit spielen die Bands manchmal auch auf den Straßen oder unterstützen mit ihrer Musik politische Demonstrationen und Streiks.
Es gibt eine unüberschaubare Zahl an regionaltypischen Musikstilen, die sich entsprechend der verschiedenen kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Gebiete entwickelt haben. Música Nordestina ist ein Sammelbegriff für die Musik aus dem Nordosten, der eine besonders große musikalische Vielfalt besitzt. Hier sind Instrumente wie Akkordeon und Gitarre vorherrschend. Recife im Speziellen ist bekannt für den Frevo, der auch Einflüsse aus der Militärmusik besitzt. Forró wird von Trios mit Trommel, Triangel und Akkordeon gespielt. Ein traditioneller afro-brasilianischer Stil ist Maracatu, welcher mit großen Trommeln, Glocken und Rasseln gespielt wird
Eine besondere Rolle als musikalischer Impulsgeber spielt Salvador da Bahia. Seit 1949 nehmen hier Afoxé-Blocos an den Karnevalszügen teil, die ihre Wurzeln in der Musik des Candomblé haben und auch im Zusammenhang mit der Freiheitsbewegung der afrobrasilianischen Bevölkerung zu sehen sind. Seit den 1980er Jahren ist in Salvador der Samba-Reggae entstanden.
Besonders in den regionaltypischen Musikrichtungen kommen Instrumente afrikanischen Ursprungs zum Einsatz, so zum Beispiel die Berimbau, ein bogenförmiges Rhythmusinstrument mit einem hohlen Kürbis an einem Ende, oder die Xequerê, ein mit Muscheln bestücktes Schüttelinstrument.
In den letzten Jahren setzte sich vor allem bei den Jugendlichen die Musikrichtung Axé durch. Axé wird dem Samba, ausgenommen in der Karnevalszeit, mehr und mehr bevorzugt. Die Mischung aus Samba, Pagode und Pop ist enorm rhythmusbetont und gut tanzbar. Zum Teil thematisieren die Texte kritische Themen, wie Armut, soziale Ungerechtigkeit oder Korruption. Bekannte Gruppen des Axé sind beispielsweise Olodum, Daniela Mercury, Ivete Sangalo, Banda Eva, Araketu oder Terra Samba. In den offenen Cafés in Brasilien wird aber in erster Linie Pagode gespielt. Das Publikum ist meist um die 30 oder 40 Jahren alt. Bekannte Gruppen des Pagode sind Exaltasamba, Só Pra Contrariar und Art Popular.
Eine neue Entwicklung ist auch der Drum&Bossa Sound. Ein Mix aus dem Englischen Drum&Bass und dem Brasilianischen Bossa Nova.

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