Finnland  4.3 Finnland als Großfürstentum unter Russland
Im Zuge der napoleonischen Koalitionskriege verbündete sich Russland unter Zar Alexander I. mit Frankreich gegen England und das mit diesem verbündete Schweden. 1808 griff Russland Schweden an und begann damit den Finnischen Krieg, als dessen Resultat Schweden weite Gebiete an Russland abtreten musste. Zu diesen Gebieten gehörten neben dem damals die heutige Südhälfte Finnlands umfassenden Kernfinnland auch die Ålandinseln sowie Teile von Lappland und Västerbotten. Aus diesen Gebieten gemeinsam mit den bereits 1721 und 1743 eroberten Gebieten wurde das Großfürstentum Finnland gebildet, das Teil des Russischen Reiches war, aber eine weitgehende politische Autonomie genoss. Insbesondere wurden die hergebrachten schwedischen Gesetze ebenso wie in weiten Teilen die herrschende Verfassung aufrecht erhalten.
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war von einer gewissen politischen Starre geprägt. Der Reichstag als ständische Volksvertretung wurde von den Zaren zwischen 1809 und 1863 nicht einberufen, die Politik konzentrierte sich auf die Verwaltung bei unveränderter Gesetzeslage. Während dieser Zeit kam es aber auch zu einem Erwachen eines finnischen Nationalbewusstseins, und es wurden zahlreiche Anstrengungen zur Stärkung der finnischen Identität unternommen, ohne dass sich diese zunächst gegen die Zarenherrschaft gerichtet hätten.
In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam die Politik in Bewegung, insbesondere durch die freizügige Politik des Zaren Alexander II. Durch die Beseitigung hergebrachter Wirtschaftsbeschränkungen belebte sich die Wirtschaft und kam die Industrialisierung ab den Sechzigerjahren in Fahrt, angetrieben vor allem durch die Holzwirtschaft und die in großer Zahl gegründeten Sägewerke. Die hierdurch notwendige gesetzgeberische Tätigkeit wurde durch die ab 1863 regelmäßig erfolgte Einberufung des Reichstages ermöglicht.
Dem erstarkten finnischen Nationalbewusstsein traten ab dem Ende des 19. Jahrhunderts russische Bestrebungen einer Zentralisierung des Reiches und einer Russifizierung der zu diesem gehörenden Gebiete entgegen. Das sogenannte Februarmanifest des Zaren Nikolaus II. schränkte die autonomen Rechte Finnlands spürbar ein. Dies hatte einen zähen politischen Konflikt zur Folge, zu dessen Zuspitzungen die Ermordung des Generalgouverneurs Nikolai Bobrikow 1904 und, im Zusammenhang mit der Russischen Revolution, ein umfassender Generalstreik im Herbst 1905 gehörten. Infolge des Generalstreiks sagte Nikolaus die Wiederherstellung der Autonomie sowie die Schaffung einer nichtständischen Volksvertretung zu.
Zu dem 1906 neugeschaffenen Parlament hatten alle Finnen – zum damaligen Zeitpunkt europaweit einmalig auch Frauen – gleiches Wahlrecht. Die während des Generalstreiks zutage getretenen politischen und sozialen Spannungen konnten jedoch nicht beseitigt werden. Die Russifizierungsbemühungen wurden 1909 wieder aufgenommen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, an welchem finnische Soldaten von einigen Freiwilligen abgesehen nicht teilnahmen, kam das politische Leben aber zunächst zum Erliegen.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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