Finnland  9.4 Musik
Die finnische Volksmusik speist sich aus zwei Quellen. Die ältere stellen die oft als Kalevala-Musik bezeichneten Volksweisen dar, in denen schon in vorchristlicher Zeit die „heidnischen“ Mythen der Finnen rezitiert und von Generation zu Generation mündlich überliefert wurden. Diese „Runen“ (finnisch runo) genannten Lieder wurden zumeist in einfachen pentatonischen Melodien gesungen, entweder von einem Solisten oder im Wechselgesang, begleitet von der Kantele, dem finnischen „Nationalinstrument“. Die zweite Traditionslinie ist die so genannte pelimanni-Musik (schwedisch spelman, „Spielmann“), die sich beginnend im 17. Jahrhundert von Mittel- und Osteuropa nach Finnland verbreitete. Im Gegensatz zu den Runen sind die pelimanni-Lieder tonal und in den üblichen europäischen Strophen- und Reimformen gehalten. Mit der Gründung eines Sommerfestivals in Kaustinen begann 1968 die bis heute anhaltende Renaissance der finnischen Volks- und Folkmusik. In den 1990er Jahren gelang es Folkbands wie Värttinä, im Rahmen der „Weltmusik“ auch ein internationales Publikum zu erreichen. In diesem Kontext ist mit Interpreten wie Nils-Aslak Valkeapää auch der gutturale Joik-Gesang der Samen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden.
Die ersten Komponisten klassischer Musik in Finnland traten erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in städtischen Zentren wie Turku und Wiburg hervor. Als Vater der finnischen Klassik gilt indes der aus Hamburg stammende Fredrik Pacius, der durch seine Lehrtätigkeit in Helsinki ab 1834 das Idiom der deutschen Romantik nach Finnland vermittelte und so großen Einfluss auf die Entwicklung der folgenden Generationen nahm. Pacius komponierte 1848 zu einem Text von Johan Ludvig Runeberg auch die heutige finnische Nationalhymne Maamme. Auch das Frühwerk Jean Sibelius' (1865-1957) ist entscheidend von der deutschen Romantik und Anleihen an der finnischen Volksmusik geprägt, doch wurde er insbesondere mit seinen in die Moderne weisenden späteren Violinkonzerten und Orchesterwerken zum international meistbeachteten finnischen Komponisten. Seine Musik ist mit ihrem nationalromantischen Pathos für die Finnen in hohem Maße identitätsstiftend und Sibelius für die jüngeren finnischen Komponisten eine Art Überfigur, mit oder gegen den sie ihr eigenes Schaffen definieren.
In jüngerer Zeit haben im Anschluss an die Wiederbelebung des Opernfestivals in Savonlinna 1967 vor allem die Opern von Kalevi Aho, Aulis Sallinen und Einojuhani Rautavaara international Beachtung erfahren, unter den Opernsängern die Bässe Kim Borg, Martti Talvela und Matti Salminen. Der Klassikernachwuchs wird an der renommierten Sibelius-Akademie ausgebildet, der einzigen Musikhochschule des Landes. Aus der Dirigentenschmiede der Akademie gingen Granden wie Leif Segerstam, Esa-Pekka Salonen und Jukka-Pekka Saraste hervor. Mit mehr als 30 Sinfonieorchestern dürfte Finnland das Land mit der weltweit größten Orchesterdichte sein.[65]
Der finnische Schlager (iskelmä), der sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts einiger Beliebtheit erfreut, ist international weitgehend unbekannt. Waren die Kompositionen in der Vergangenheit teils noch von hohem künstlerischem Anspruch beseelt, so etwa die Lieder Georg Malmsténs und die Couplets von Reino Helismaa und Tapio Rautavaara, so ist der heutige finnische Schlager mit seinen Stars wie Katri Helena zumeist als seichte Unterhaltungsmusik zu bezeichnen. Eine Besonderheit stellt der finnische Tango dar, der mit dem Erfolg des „Tangokönigs“ Olavi Virta seine Hochzeit in den 1940er und 1950er Jahren hatte. Insbesondere Unto Mononens Komposition Satumaa („Märchenland“) gilt als Inbegriff finnischer Wehmut. Schlager, Tango und Humppa werden traditionell zum Paartanz in den zahlreichen tanssilavat, zumeist außerhalb der Städte am Seeufer gelegenen Tanzpavillions, aufgespielt.
Metal ist in Finnland ausgesprochen populär. So kann etwa eine Death-Metal-Band wie Children of Bodom mit einiger Regelmäßigkeit die Spitze der Charts belegen. Erst in jüngerer Zeit haben finnische Rock- und Metalbands wie HIM, The Rasmus und Nightwish auch international Charterfolge feiern können. Nachdem Finnland beim im Land vielbeachteten Eurovision Song Contest seit seiner erstmaligen Teilnahme 1961 regelmäßig die hinteren Ränge belegt hatte, gelang der in Monsterkostümen auftretenden Hardrock-Band Lordi 2006 der erste finnische Sieg in diesem Wettbewerb. An Lordi lässt sich auch eine gewisse Verschrobenheit festmachen, die für viele finnische Bands charakteristisch ist. Dies gilt zweifelsohne für die Leningrad Cowboys, die mindestens ebensosehr für ihre imposante Haartracht wie für ihre eigenwilligen Interpretationen bekannter Pop- und Rocksongs bekannt sind. Seit den 1990er Jahren gibt es mit Acts wie Fintelligens auch eine robuste Hip-Hop-Szene; den Bomfunk MCs gelang 2000 mit Freestyler auch ein internationaler Hit.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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