Indonesien  3.1.1 Islam in Indonesien
Der Islam erreichte Indonesien erstmals im 10. Jahrhundert. Um 930 wurde in der Region Aceh das erste Sultanat gegründet. Lange Zeit blieb es dabei. Erst im 15. Jahrhundert breitete sich der Islam durch indische und arabische Händler in Sumatra aus und erreichte Anfang des 16. Jahrhunderts auch Java. Viele damalige Fürsten – und mit ihnen die Bevölkerung – konvertierten daraufhin zum sunnitischen Islam. Im 17. und 18. Jahrhundert erreichte der Islam auch die übrigen indonesischen Inseln (z.B. Sulawesi).
Auf Java wurde der Islam durch die neun Gesandten Gottes, den Wali Songo (Wali = Oberhaupt, Songo = jav. Neun), verbreitet. Obwohl erwiesen ist, dass sie tatsächlich gelebt und auf Java gewirkt haben, dürfte das meiste der über sie überlieferten Geschichten in das Reich der Sage fallen. Die Wali Songo gründeten überall auf Java Moscheen und islamische Schulen, die Pesantren oder Pondok Pesantren. Diese Wirkungsstätten der Wali sind bis heute das Ziel von jährlichen Pilgerfahrten indonesischer Muslime.
Obwohl die Wali Songo getreu den Buchstaben des Korans reinen Islam lehrten, haben sich mit ihrer Duldung auch Traditionen, besonders in Zentral- und Ostjava erhalten, die eigentlich der Lehre des Islam widersprechen. Bestes Beispiel hierfür ist das „Wayang“, das berühmte indonesische Schattenspiel.
Insgesamt kann man sagen, dass es den Wali Songo zu verdanken ist, dass der in Indonesien praktizierte Islam liberaler ist als der in vielen arabischen Ländern. Die Mehrheit der indonesischen Muslime akzeptiert die verschiedenen Religionen und Kulturen in ihrem Land. Neben den Wali Songo gab es noch einen zehnten Prediger des Islam, Sheikh Siti Jenar. Siti Jenar war ursprünglich ein Schüler der Wali Songo, begann aber, den Islam völlig neu auszulegen und begründete eine eigene Lehre. Nachdem die Wali vergeblich versucht hatten, Siti Jenar zu bekehren, wurde er zum Tode verurteilt und enthauptet. Offiziell gehört Siti Jenar nicht zu den Wali, dennoch sind etwa 30 % der indonesischen Muslime Anhänger seiner Lehre. Diese bezeichnen sich als Abangan und leben vorwiegend auf Java. Doch nicht nur auf Java haben sich traditionelle Glaubensvorstellungen und vorislamische Traditionen bis heute erhalten, sondern auch bei den Einwohnern Sumatras und Kalimantans.
Im Zuge der japanischen Vision, ein eigenes Kolonialreich aufzubauen, wurden die muslimischen Führer der Unabhängigkeitsbewegung in Niederländisch-Indien durch die japanische Militäradministration konkret gefördert. US-Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg belegen, wie Japan über Jahrzehnte hinweg die Gruppe des Islam als politischen Faktor für ihre eigenen Zielsetzung radikalisierte (Religion wurde als politische Waffe entdeckt, Lit.: M.J. Schindehütte, 2006). Japan erhoffte sich durch die Stärkung des Faktors Religion innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung einen starken Widerstand gegen die europäischen Kolonialmächte. Durch eine unabhängige asiatische Handelszone versprach sich Japan mehr Selbstständigkeit gegenüber dem Westen.
Die beiden größten moslemischen Organisationen Indonesiens sind die traditionalistische Nahdatul Ulama und die modernistische Muhammadiyah. Die Nadhlatul Ulama ist mit über 30 Millionen Mitgliedern die größte moslemische Organisation der Welt. Bekanntestes Mitglied ist ihr Mitbegründer und frühere Präsident Indonesiens Abdurrahman Wahid (Gus Dur).
Durch religiöse und gesellschaftliche Konflikte kamen auf den Molukken mehr als 9000 Menschen ums Leben; die meisten davon waren ambonesische Christen. In Zentral-Sulawesi fanden durch ähnliche Konflikte bisher mehr als 1000 Menschen den Tod. Teile von Zentral-Sulawesi (darunter der Poso- Bezirk), einer Region in der die Zahl der Muslime und Christen etwa gleich hoch ist, sind geprägt von einem eher konservativen Islam. Obwohl der überwiegende Teil der indonesischen Muslime nach wie vor moderat ist, gibt es in den letzten Jahren Anzeichen einer Radikalisierung.
In 16 Provinzen bildet die Scharia bereits die Grundlage der Rechtsprechung. Vor allem aus Aceh, Nordsumatra wird in diesem Zusammenhang immer wieder von Bestrafungsaktionen wie öffentlichem Auspeitschen für Spieler oder auch sich öffentlich küssende Paare berichtet. Auch wurde erst kürzlich in der indonesischen Stadt Tangerang bei Jakarta das Küssen in der Öffentlichkeit verboten, wenn es länger als fünf Minuten dauert. Zusätzlich wurde Frauen polizeilich verboten, nach 19 Uhr alleine spazieren zu gehen. Allerdings erklärte ein dafür zuständiger Polizeibeamter, dass man bei einer Nichteinhaltung des Gesetzes nicht gleich mit einer Verhaftung zu rechnen braucht. In der Hauptstadt selbst verschwanden Anfang 2006 Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 5 % aus den Supermarktregalen.
Weitere Gesetze, die die Verbreitung pornografischer Medien (wie z. B. Playboy) und pornographisches Verhalten einschränken sollen, sind ebenfalls in Planung. Offenbar fallen auch traditionelle Kostüme und Trachten unter die Kategorie. Dagegen regte sich allerdings Widerstand von Intellektuellen, Künstlern und Frauenrechtsorganisationen, die eine Stärkung des orthodoxen Islam befürchten.
Hinzuzufügen ist, dass jede ethnische Gruppe den Islam anders auslegt. Als orthodoxe Muslime sind vor allem die Maduresen, Minangkabau, Acehnesen und die Makaresen bekannt, während die Javaner und Osing traditionell eine gemäßigte Form des Islam praktizieren. Auf Sulawesi identifizieren sich viele je nach der Religionszugehörigkeit meist einfach nur als Muslime oder Christen.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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