Kirgisistan  6 Politik
Die Verfassung von 1993 ist an westlichen Vorbildern orientiert und sieht ein gewaltenteilendes Regierungssystem mit einer starken Stellung des Staatspräsidenten sowie eine weite Palette an Grundrechten vor. Durch Referenden zur Verfassungsänderung im Februar 1996 und Oktober 1998 wurde die ohnehin starke Stellung des Präsidenten zu Lasten des Parlaments weiter ausgebaut und der Trend zur autoritären Präsidialdemokratie bestätigt. Ein erneutes Verfassungsreferendum im Februar 2003 änderte daran wenig. Der Präsident konnte das Parlament auflösen, er bestimmte den Regierungschef, die Minister, Richter und Gouverneure der Oblaste. Die Exekutive besteht aus dem Regierungskabinett, den Ministerien und staatlichen Komitees, den Oblasten (Verwaltungsbezirken) und der lokalen Administration.
Nach dem Wahlgesetz hat jeder kirgisische Staatsbürger ungeachtet seiner Herkunft, Rasse, Geschlecht, Ethnie, religiösen oder politischen Überzeugungen ab 18 Jahren das Recht zu wählen und kann ab 25 Jahren selbst gewählt werden. Als erstes Land in Zentralasien hat Kirgisistan im Dezember 2001 Wahlen auf Ebene der Lokalverwaltungen abgehalten. Seit 2003 unterstützt die Weltbank die ländlichen Gemeinden bei der Erstellung und Durchführung ihrer eigenen örtlichen Investitionspläne, und ein deutsches Projekt, von der KfW finanziert, hat sich 2005 ebenfalls an dieser Aufgabe beteiligt.
Bis März 2005 bestand das Parlament (Dschogorku Kenesch) aus zwei Kammern mit insgesamt 105 Sitzen, der ständig tagenden Gesetzgebenden Kammer (60 Sitze) und der Volkskammer (45 Sitze). Die Verfassungsänderung vom Februar 2003 führte dann ein Einkammersystem mit 75 Abgeordneten ein, was mit der Parlamentswahl von 2005 wirksam wurde.
Im Februar 1995 wurde erstmals in der kirgisischen Geschichte in demokratischen Wahlen ein Parlament gewählt. Die regierungsnahen Parteien erhielten damals rund 55 % der Stimmen. In den zweiten, von Wahlmanipulationen überschatteten Parlamentswahlen im Februar/März 2000, wurden 15 der 105 Sitze beider Kammern nach Parteilisten vergeben. Stärkste Partei wurde die oppositionelle Kommunistische Partei mit 27,7 % der Stimmen. Auf die vier regierungsnahen Parteien "Union Demokratischer Kräfte", "Demokratische Frauenpartei", die "Partei der Afghanistan-Veteranen" sowie die Partei "Mein Land" entfielen zusammen rund 40 %. Die übrigen fünf zur Wahl zugelassenen Parteien scheiterten an der 5-%-Klausel. Es gibt in Kirgisistan mehr als 30 registrierte politische Parteien, deren Status durch das "Gesetz über politische Parteien" geregelt ist. Davon sind ca. neun Parteien der Opposition zuzuordnen. Genaue Abgrenzungen der Oppositionsparteien von Regierungsparteien und der Regierung nahestehenden Parteien sind nur in wenigen Fällen eindeutig möglich, da sich politische Bündnisse und Allianzen schnell ändern.
Der erste Präsident Askar Akajew wurde 1990 vom kirgisischen Obersten Sowjet in das Amt des Staatspräsidenten gewählt und im Dezember 1995 in den ersten freien Wahlen mit 70 % der Stimmen wiedergewählt. Obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten vorsah, entschied das Verfassungsgericht im Sommer 1998, dass der Präsident sich im Jahr 2000 erneut zur Wahl stellen konnte, da bei seiner ersten Wahl die erst 1993 in Kraft getretene Verfassung noch nicht galt.
Das in den ersten Jahren der Unabhängigkeit als "Insel der Demokratie" bekannte Land sah sich seitdem mit zunehmender internationaler Kritik im Menschenrechtsbereich konfrontiert. Sowohl die Parlamentswahlen im Februar/März 2000 wie auch die Präsidentschaftswahl am 29. Oktober 2000 wurden von der OSZE, die Beobachtermissionen entsandt hatte, als nicht den Kriterien der OSZE entsprechend kritisiert. Die Verurteilung des ehemaligen Vizepräsidenten, Sicherheitsministers und Bischkeker Bürgermeisters, Felix Kulow, im März 2001 wegen Amts- und Machtmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis, die Verhaftung des Parlamentariers Asimbek Beknasarow im Januar 2002, ebenfalls wegen Machtmissbrauchs, und der Tod von fünf Demonstranten durch Polizeischüsse in der Stadt Aksy im März 2002 löste im In- und Ausland Proteste aus. Zwar herrschte im Land insgesamt noch immer ein im Vergleich zu anderen zentralasiatischen Staaten eher liberales Klima mit einer aktiven und starken Zivilgesellschaft, aber positive Reformschritte wie Ansätze zu Reformen im Justizwesen und der Gefängnisverwaltung, Einführung von Wahlen auf Ebene der Lokaladministration u. a. waren begleitet von anhaltenden Einschüchterungsversuchen gegenüber unabhängigen Stimmen aus Presse und Opposition.
Bei weitgehender Gewährleistung der Religionsfreiheit ging die Regierung besonders nach dem Einbruch von Freischärlern im Südwesten des Landes in den Jahren 1999 und 2000 und infolge der Ereignisse vom 11. September 2001 konsequent gegen fundamentalistisch-islamische Gruppen vor, die sie als eine Gefahr für die säkulare Struktur und Stabilität des Landes betrachtete.
Kirgisistan ist den wichtigsten Menschenrechtsabkommen beigetreten und hat sich dem OSZE-Wertekanon unterworfen. Die kirgisische Verfassung garantiert eine weite Palette von Grundrechten, deren Durchsetzbarkeit aber selten von den Bürgern getestet wird. Es gibt weder eine rechtsstaatliche Tradition noch eine unabhängige Justiz. Aus Anlass des 50. Jahrestages der Erklärung der Menschenrechte verkündete Präsident Akajew am 5. Dezember 1998 ein zweijähriges Moratorium für die Vollstreckung der Todesstrafe (von 1996 bis 1998 wurden 82 Todesurteile vollstreckt). Das Moratorium wurde seitdem alljährlich erneuert und ist weiterhin gültig. Ende 2002 trat der erste Ombudsman des Landes seinen Dienst an.
Mitgliedschaften: Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Collective Security Treaty Organization (CSTO), Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (EURASEC), Economic Cooperation Organization (ECO), Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) und Zentralasien-Gipfel der Türkischen Republiken (OATCT).
Nationalfeiertag: 31. August

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