Neuseeland  9.1 Wirtschaftsentwicklung
Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Neuseeland ein Agrarstaat, in dem der Großteil der Einwohner im primären Sektor tätig war. Mit Abstand wichtigster Handelspartner war das Vereinigte Königreich, in das etwa die Hälfte der in Neuseeland produzierten – meist landwirtschaftlichen – Güter exportiert wurde. Mit dem EU-Beitritt Großbritanniens im Jahr 1973 änderte sich die wirtschaftliche Situation des Landes grundlegend. Im gleichen Jahr schließlich traf Neuseeland auch noch die weltweite Ölkrise von 1973. Als Folge dieser äußerst negativen Einflüsse stürzte das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise. Es dauerte bis 1984, bis die Regierung größere Maßnahmen ergriff.
Von diesem Zeitpunkt an entwickelte sich Neuseeland von einer gelenkten Volkswirtschaft mit Schwerpunkt Landwirtschaft zu einer liberalisierten Industrienation mit einem freien Markt, die mit anderen westlichen Nationen konkurrieren kann und zu den am stärksten deregulierten und privatisierten Volkswirtschaften der Welt zählt. Es wurden zahlreiche Subventionen – auch die Landwirtschaft betreffend – gestrichen, des Weiteren wurde der gesamte Warenverkehr liberalisiert und das Mitspracherecht des Staates in Bezug auf Löhne, Zinsen sowie Preise für Güter und Dienstleistungen aufgegeben. Durch eine sparsame Finanzpolitik und große Bemühungen, das Haushaltsdefizit zu verringern, konnte die Inflationsrate von 18 % im Jahr 1987 auf 3,9 % im Jahr 2005 reduziert werden. Zusätzlich wurden in den 1980er und 1990er Jahren fast alle Staatsbetriebe umstrukturiert und privatisiert. Ein Beispiel dafür sind der gesamte Zugverkehr, der seit 1995 von Tranz Rail betrieben wird (wegen des schlechten Zustands der Gleise und Bahnhöfe wurde zumindest das Schienensystem 2004 aber wieder renationalisiert), oder die neuseeländische Telekom. Durch die intensive Liberalisierungspolitik stieg die Arbeitslosigkeit im Land auf neue Höchststände, was wiederum die Notwendigkeit eines Wohlfahrtsstaates erhöhte. Die Arbeitslosenquote stieg aufgrund verschiedener Maßnahmen kurzfristig zwar bis auf 15 %, Ende 2004 betrug sie allerdings nur noch 3,6 %, der niedrigste Wert innerhalb der OECD. Die Inflationsrate lag bei 2,4 %, das Wirtschaftswachstum betrug von Juli 2003 bis Juni 2004 4,4 %. Da viele Reformen wegen der geringen Einwohnerzahl des Landes schnell umgesetzt werden konnten, führten diese zu einem ungeahnten Wirtschaftsboom in Neuseeland. Einer der Gründe, die den Wirtschaftsaufschwung dämpfen, sind infrastrukturelle Defizite (Schienenverkehr, Energieversorgung).

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