Ost-Timor (Timor-Leste)  4.1 Sprachen und Volksgruppen
Timor wurde von mindestens drei Einwanderungswellen (Veddo-Austronesen, Melanesier und Malaien) besiedelt, deren Nachkommen die verschiedenen einheimischen Völker der Insel stellen.
Es gibt auf Osttimor etwa 15 Ethnien, davon 12 größere Stammesverbände. Sie sprechen meist austronesische (malayo-polynesische und melanesische) Sprachen und Papua-Sprachen. Amtssprachen sind Tetum und Portugiesisch. Die 15 Sprachen der einheimischen Völker, neben der Amtssprache Tetum, sind von der Verfassung als Nationalsprachen anerkannt: Dies sind Atauru, Baikeno, Bekais, Bunak, Fataluku, Galoli, Habun, Idalaka, Kawaimina, Kemak, Makuva, Makalero, Makasae, Mambai und Tokodede. Englisch und Bahasa Indonesia sind als Arbeitssprachen aufgeführt. Während Tetum weit verbreitet ist, sprechen nur etwa 18,6 % Portugiesisch. Auch viele Lehrkräfte sprechen kein oder nur sehr schlecht Portugiesisch. Aufgrund dieser Probleme wird die ersten drei Jahre der Unterricht in Tetum gehalten und erst danach Portugiesisch schrittweise eingeführt.
Die malayo-polynesischen Tetum bilden mit etwa 200.000 Angehörigen die größte Ethnie Osttimors. Weitere malayo-polynesische Ethnien sind die Mambai (130.000), die Kemak (50.000), die Tokodede (32.000) und die Galoli (11.000). Die Baikeno in Oecussi-Ambeno (50.000) sprechen eine malayo-polynesische Sprache, stammen aber von der veddo-austronesischen Einwanderungswelle ab. Melanesischer Herkunft sind die Sprecher der Papuasprachen: Die Makasae (90.000), die Bunak (50.000) und die Fataluku (30.000).
Dazu kommen noch Einwanderer aus der jüngeren Geschichte, wie etwa Chinesen (hauptsächlich Hakka-Händler), Araber und Portugiesen. Die chinesische Bevölkerung sprach ursprünglich Hakka, Hochchinesisch und Kantonesisch. Vor der indonesischen Invasion 1975 gab es in Osttimor eine große und lebendige Hakkagemeinde. Während der Invasion kamen aber viele Hakka um oder flohen nach Australien. Heute leben die meisten timoresischen Hakka in Darwin und anderen australischen Städten, wie Brisbane, Sydney und Melbourne. In Osttimor nennen noch etwa 500 Menschen Chinesisch als ihre Muttersprache. Arabischer Herkunft ist zum Beispiel der ehemalige Premierminister Marí Alkatiri. Seine Vorfahren kamen am Ende des 19. Jahrhunderts aus dem heutigen Jemen nach Timor.
Ein kleiner Teil der Bevölkerung ist gemischter portugiesisch-timoresischer Herkunft. In Portugiesisch wird diese Bevölkerung Mestiços (deutsch Mestizen) genannt. Staatspräsident Xanana Gusmão und Premierminister José Ramos-Horta sind Mestiços. Zudem gibt es noch eine kleine Gruppe reiner Portugiesen. Etwa 700 Osttimoresen bezeichnen Portugiesisch als ihre Muttersprache. Auch einige Einwanderer aus Indonesien sind nach der Unabhängigkeit Osttimors im Land geblieben. Bahasa Indonesia hat allerdings als Verkehrssprache an Bedeutung verloren, während Englisch durch die ausländischen UN-Soldaten gewonnen hat. Als Muttersprache sprechen etwa 2.400 Einwohner Bahasa Indonesia und etwa 800 nennen Englisch als ihre Muttersprache. An der Nationaluniversität in Dili werden aber weiterhin viele Studiengänge noch in Bahasa Indonesia gehalten. Während der indonesischen Besatzung war der Gebrauch der portugiesischen Sprache offiziell verboten.
Die Besatzungszeit hat ein starkes osttimoresisches Nationalgefühl entstehen lassen, doch haben die Unruhen von 2006 wieder eine ethnische Spaltung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht, die schon vor der Kolonialzeit bestand. Diese Teilung des Landes in einen Ost- und einen Westteil hat einen deutlichen Einfluss auf das alltägliche Leben in Osttimor. Die westliche Bevölkerung aus Loro Munu wird Kaladi, die östliche aus Loro Sae wird Firaku genannt. Die Bezeichnung Firaku leitet sich vermutlich vom portugiesischen vira o cu (jemanden dem Rücken zuwenden) ab, was wohl auf den Hang der östlichen Timoresen zur Rebellion verweist. Eine andere Theorie vermutet als Ursprung ein Wort aus dem Makasae: fi raku bedeutet auf Makasae wir Kameraden. Der Osten besteht aus den Distrikten Lautém, Baucau, Viqueque und Manatuto. Die Firaku sehen sich als diejenigen, die durch ihren langen Widerstand die indonesische Besatzungsmacht besiegt haben. Zu den Firaku gehören wichtige osttimoresische Persönlichkeiten aus dem Militär und der Präsident Xanana Gusmão.
Die Bezeichnung Kaladi für die westlichen Osttimoresen leitet sich vermutlich vom portugiesischen calada (still, leise) ab. Loro Munu besteht aus den Distrikten Dili, Aileu, Ainaro, Manufahi, Ermera, Bobonaro, Cova Lima, Liquiçá und Oecussi-Ambeno. Dem Westen werfen die Firaku vor, mit den Indonesiern sympathisiert zu haben. Viele der Polizisten, die die Indonesier rekrutiert haben, waren Kaladi. Die UN und das unabhängige Osttimor hat die meisten dieser Polizisten in ihren Dienst übernommen. Der schwelende Konflikt zwischen Polizei und Militär resultiert daraus. Dili ist, als Schmelztiegel der verschiedenen Ethnien und Gruppen des Landes, Schauplatz von regelmäßigen Straßenkämpfen zwischen Banden aus dem Osten und dem Westen.
Trotzdem gibt es auch zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Distrikten. Die engen Vernetzungen der einzelnen Stämme und Ethnien durch Heirat haben eine lange Tradition, die schon vor der Kolonisation die Insel und ihre grobe Teilung in einen West-, einen zentralen und einen Ostteil verband. Die Stämme am Westrand des Einflussgebietes von Wehale hatten gleichzeitig Bündnisse mit dem westlichen Timor und Oecussi, die Stämme im Osten mit dem östlichen Timor und seinen Zentren Atsabe und Lospalos. Auf diese Weise bildete die Insel aus Sicht vieler Timoresen eine Einheit, die erst durch die koloniale Spaltung durch Niederländer und Portugiesen zerstört wurde. Doch auch von Fehden und Kriegen wird berichtet. Die alten Beziehungen und familiären Strukturen haben auch heute noch einen erheblichen Einfluss auf die Politik des Landes.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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