Pakistan  11.1 Architektur
Mit dem Beginn der Indus-Kultur um die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. entstand erstmals auf dem Gebiet des heutigen Pakistan eine städtische Hochkultur mit großen baulichen Anlagen, von denen einige als Ruinen bis heute erhalten sind. Archäologen haben zahlreiche altertümliche Städte, darunter Mohenjo-Daro, Harappa und Kot Diji, ausgegraben, die sich durch einen rasterförmigen, zweckmäßigen Aufbau mit breiten Straßen sowie ausgeklügelte Sanitär-, Be- und Entwässerungsanlagen auszeichnen. Die Mehrzahl der erhaltenen Lehmziegelsteinbauten sind Wohn- oder öffentliche Gebäude wie Badehäuser und Werkstätten. Monumentale Repräsentations- oder Tempelbauten, wie sie für das Alte Ägypten und die frühen Zivilisationen Mesopotamiens kennzeichnend sind, fehlen dagegen. Die Architektur der Indus-Städte spiegelt somit das eher „bürgerliche“ Wesen der Indus-Kultur mit gering ausgeprägten Gesellschaftsschichten wider.
Mit dem Erlöschen der Indus-Kultur erlitt auch die Baukunst einen beträchtlichen Niedergang. Die vedische Epoche hinterließ keine architektonischen Zeugnisse. Vermutlich dienten vergängliche Materialien wie Holz und Lehm als Baustoffe. Erst mit dem Aufkommen des Buddhismus entstanden wieder herausragende Baudenkmäler vor allem sakraler Art, die bis in die Gegenwart überdauert haben. Dazu traten der persische und der griechische Einfluss. Letzterer führte zur Herausbildung des graeco-buddhistischen Stils, der ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. mit dem Gandhara-Stil seinen Höhepunkt erreichte. Bedeutende Überreste buddhistischer Stupas und anderer Bauwerke mit deutlich erkennbaren griechisch-baktrischen Stilelementen wie ionischen Säulen finden sich, neben Ruinen aus anderen Epochen, in der Gandhara-Hauptstadt Taxila im äußersten Norden des Punjab. Als besonders schönes Beispiel gelten auch die Ruinen des buddhistischen Klosters Takht-i-Bahi (etwa 1. bis 7. Jahrhundert n. Chr.) in der Nordwestprovinz.
Die Ankunft des Islam auf dem Gebiet des heutigen Pakistan – zunächst im Sindh – im 8. Jahrhundert bereitete der buddhistischen Architektur ein jähes Ende, ebnete dafür aber der überwiegend bildlosen, vor allem mit Ornamenten arbeitenden islamischen Baukunst den Weg. Frühe Moscheen orientierten sich noch stark am arabischen Stil, so auch die als Ruine erhaltene, mihrablose Moschee von Banbhore aus dem Jahre 727, das erste muslimische Gotteshaus auf dem indischen Subkontinent.
Unter den Ghuriden und Delhi-Sultanen trat an die Stelle arabischer Einflüsse der persisch-zentralasiatische Stil. Wichtigstes Kennzeichen dieses Stils ist der Iwan, eine dreiseitig geschlossene, nach einer Seite hin geöffnete Gewölbehalle, die vor allem im Eingangsbereich von Moscheen, Palästen und den typisch persischen Medresen zur Anwendung kam. Weitere Merkmale sind großflächige, häufig mit Mosaiken und geometrischen Mustern verzierte Fassaden, Rund- oder Zwiebelkuppeln und die Verwendung bemalter Fliesen. Der bedeutendste der wenigen vollständig erhaltenen Bauten persischer Prägung ist das Grabmal des Shah Rukn-i-Alam (erbaut 1320 bis 1324) in Multan.
Zu höchster Blüte gelangte die islamische Baukunst ab dem 16. Jahrhundert unter den Moguln. Im Mogulstil verbanden sich die geometrischen, eher strengen Gestaltungselemente der islamisch-persischen Architektur mit den der Natur entlehnten, geschwungenen und oft verspielten Formen der hinduistischen Kunst. Zum Ausdruck kam dies insbesondere in üppigen, stilisierten Pflanzenranken als Fassadenzier sowie der Einbindung von Säulen und Konsolen als Bauteile. Lahore, zeitweise Residenz der Mogulherrscher, weist eine Vielzahl bedeutender Bauwerke im Mogulstil auf, darunter die Badshahi-Moschee (erbaut 1673/74), die Festung von Lahore (16. und 17. Jahrhundert) mit dem berühmten Alamgiri-Tor, die farbenprächtige, noch stark persisch anmutende Wasir-Khan-Moschee (1634/35) sowie zahlreiche weitere Moscheen und Mausoleen. Auch die Shah-Jahan-Moschee von Thatta im Sindh stammt aus der Epoche der Moguln, weist aber zum Teil sehr unterschiedliche stilistische Merkmale auf. Einzigartig sind die unzähligen Grabmäler des Chaukhandi-Gräberfeldes östlich von Karatschi. Obwohl sie zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert entstanden, zeigen sie keinerlei Ähnlichkeit zur Mogul-Architektur. Die Steinmetzarbeiten zeigen vielmehr typisch sindhische, wahrscheinlich auf vorislamische Zeit zurückgehende Motive wie Blumen.
Die Bautätigkeit der Moguln kam im späten 18. Jahrhundert zum Erliegen. Danach gingen kaum noch Impulse von der einheimischen Baukunst aus. In der britischen Kolonialzeit entstanden vorwiegend repräsentative Gebäude im indo-sarazenischen Stil, einer Mischung europäischer und indisch-islamischer Bestandteile.
Nach der Unabhängigkeit bemühte sich Pakistan, seine neu gewonnene nationale Identität auch in der Architektur zum Ausdruck zu bringen. Dies spiegelt sich vor allem in modernen Sakralbauwerken wie der Faisal-Moschee in der in den 1960er Jahren neu angelegten Hauptstadt Islamabad. Aber auch in Monumentalbauten wie dem Minar-e-Pakistan in Lahore oder dem mit weißem Marmor errichteten Mausoleum Mazar-e-Quaid des Staatsgründers Ali Jinnah in Karatschi drückt sich das Selbstbewusstsein des jungen Staates aus.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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