Türkei  10.1 Literatur
Die Wurzeln der türkischen Literatur reichen weit zurück in die Vergangenheit. Vor der Annahme des Islams war die schriftliche und mündliche türkische Literatur von der Nomadenkultur und dem Schamanismus geprägt. In der Frühzeit bestand die Literatur aus mündlich überlieferten Geschichten, Sagen, Klageliedern, Liebes- und Naturgedichten und Sprichwörtern. Die Orhon-Inschriften aus dem 6. und 7. Jahrhundert bilden die ersten schriftlichen literarischen Werke der Türken.
Die Türken traten in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts zum Islam über. Mit dem Islam stieg auch der Einfluss der arabischen und persischen Sprache auf die türkische Literatur. Ab dem 11. Jahrhundert bildete sich bei den Türken, die sich in Anatolien niederließen, das Türkei-Türkische heraus. Der islamische Einfluss hielt vom 11. Jahrhundert bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts an. In dieser Zeit kann die Entwicklung der türkischen Literatur in zwei Hauptgruppen unterschieden werden: Zum einen in die Divan-Literatur und zum anderen in die Volksliteratur.
In der Tanzimat-Periode im 19. Jahrhundert wurde der westliche Einfluss stärker. Zunächst wurde westliche Literatur ins Türkische übersetzt und in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts erschienen die ersten türkischen Romane. Eine besondere Rolle nahm in dieser Entwicklungsphase die Zeitung „Servet-i fünûn“ („Schatz des Wissens“) mit dem Dichter Tevfik Fikret und dem Romancier Halit Ziya Uşaklıgil ein. Zugleich kommt auch eine nationalistische und patriotistische Dichtung auf.
In der Zeit der Republikgründung kommt es zu großen Veränderungen in der türkischen Literatur. Prägend sind insbesondere zwei Ereignisse: 1. die Einführung der lateinischen Schrift 1928 und 2. die großen Sprachreformen ab 1932. Die neuen Schriftsteller wenden sich von der herkömmlichen festgefügten Stilistik und Sprache ab. Dieses wird besonders von den Garip-Dichtern um Orhan Veli propagiert.
Mit der Form verändern sich auch die Inhalte der türkischen Literatur zunehmend. Frühe Vertreter sind Fakir Baykurt, Sabahattin Ali, Sait Faik Abasıyanık und Yaşar Kemal, die den einfachen Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. Mit der Hinwendung zur Schilderung der Lebensumstände bleibt soziale und politische Kritik am Staat nicht aus. Der Staat reagiert mit Zensur und politischer Gewalt. Autoren wie Nâzım Hikmet, Yaşar Kemal oder Aziz Nesin verbringen wegen der Verfolgung ihrer Publikationen viele Jahre in türkischen Gefängnissen. Kemal bezeichnete das Gefängnis deshalb als „Schule der türkischen Literatur“.
Mit den Arbeitsmigranten kommen in den 1960er Jahren türkische Literatur und türkischstämmige Schriftsteller auch nach Westeuropa. Bücher werden verstärkt übersetzt. Aras Ören, Yüksel Pazarkaya oder Emine Sevgi Özdamar befassen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Leben in Deutschland. Teilweise wird diese Literatur auch wieder in die Türkei zurückgetragen.
Während die Zensur und die drei Militärputsche (1960, 1971 und 1980) die Entwicklung der türkischen Literatur hemmen, tragen Schriftsteller auf dem Umweg dieser Migrantenliteratur mit dazu bei, dass es heute eine sehr vielfältige und eigenständige türkische Literatur gibt. Der sicherlich bekannteste Vertreter der aktuellen türkischen Literatur ist Orhan Pamuk, der neben vielen anderen Literaturpreisen 2006 den Nobelpreis für Literatur erhielt.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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