Tunesien  4 Geschichte
Tunesien wurde im 1. Jahrtausend v. Chr. von Berbern bewohnt. Um 1100 v. Chr. landeten die Phönizier an der tunesischen Küste. Das von ihnen 814 v. Chr. gegründete Karthago entwickelte sich zum Zentrum eines mächtigen Handelsimperiums im westlichen Mittelmeer. Nachdem die Römer am Ende des Dritten Punischen Krieges (149-146 v. Chr.) Karthago zerstört hatten, wurde das Gebiet als Teil der römischen Provinz Africa neben Ägypten der bedeutendste Getreidelieferant Roms.
Die Völkerwanderung beendete die römische Herrschaft: Von 439 bis 534 n. Chr. bildete Tunesien bis zu dessen Eroberung durch oströmische Truppen das Kerngebiet des Vandalenreiches und wurde dann für ein Jahrhundert Teil des Byzantinischen Reiches.
Von 647 an eroberten die Araber von Ägypten aus das Land und machten die 670 gegründete Stadt Kairouan zur Hauptstadt ihrer Provinz Ifriqiya (Afrika). Die einheimischen Berber, die hartnäckigen Widerstand leisteten, wurden unterworfen, der Islam und die arabische Sprache breiteten sich aus. Unter der Dynastie der Aghlabiden (800-909) entwickelte sich Tunesien zu einem Machtfaktor in Nordafrika: Die Herrschaft erstreckte sich auch auf Malta, Sizilien und Teile Unteritaliens.
Den Aghlabiden folgten die Fatimiden und schließlich die Ziriden, unter denen das Land von der Mitte des 11. Jh. an in Kämpfe mit Beduinenstämmen verwickelt war. Vom 12. bis 16. Jh. erlebte Tunesien unter der Herrschaft der Almohaden und Hafsiden eine neue Blütezeit durch Handel.
Nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen zwischen Spaniern und Osmanen um die Vorherrschaft in diesem Gebiet behielten schließlich 1574 mit Hilfe der verbündeten Korsaren die Osmanen die Oberhand. Das Land wurde als Teil des Osmanischen Reiches von Beys (Provinzstatthaltern) beherrscht. Die von Hussein ibn Ali (1705–1749) gegründete Dynastie der Husseiniden regierte bis 1957.
Im 19. Jh. führten die Öffnung des Landes gegenüber europäischen Einflüssen und der damit verbundene Rückgang der seit Jahrhunderten betriebenen Seeräuberei zur Zerrüttung der Staatsfinanzen und machten Tunesien immer mehr abhängig von den europäischen Mächten. 1881 wurde Tunesien zum französischen Protektorat erklärt. Nachdem das Land während des Zweiten Weltkrieges Schauplatz heftiger Kämpfe geworden war, gewährte Frankreich auf Druck der in der ersten Hälfte des 20. Jh. entstandenen „Liberalen Verfassungspartei“ (Destour) am 1. Juni 1954 die innere Autonomie und 1956 die volle staatliche Unabhängigkeit.
siehe Liste der französischen Ministerresidenten, Generalresidenten und Hochkommissare
Der Bey nahm den Königstitel an, wurde jedoch schon 1957 von Habib Burgiba, dem aus jahrelanger französischer Haft entlassenen Führer der 1934 gegründeten Neo-Destour-Partei, zum Thronverzicht gezwungen. Tunesien wurde Republik, Burgiba Staatspräsident. Nach dem Zwischenfall von Bizerte zogen am 15 Oktober 1963 auch die letzten französischen Truppen ab. 1964 wurde der ausländische Grundbesitz im Sinne des „tunesischen Sozialismus“ verstaatlicht. Habib Bourguiba entpuppte sich als westlich geprägter Visionär und führte mit der Staatsgründung sogleich das Frauenwahlrecht ein – als erstes arabisches Land überhaupt. Er forderte eine strikte Trennung zwischen Staat und Religion, trennte die Gesetzgebung weitestgehend von der Scharia ab und übernahm bewusst große Teile der französischen Staats- und Verwaltungsstrukturen.
Seine autoritäre Herrschaft, unpopuläre Maßnahmen wie die Erhöhung der Brotpreise 1984, aber auch sein scharfes Vorgehen gegen islamische Fundamentalisten führten im November 1987 allerdings zu seiner Absetzung. Neuer Staatspräsident wurde General Zine el-Abidine Ben Ali, der durch soziale und politische Reformen (Demokratisierung des Wahlrechts 1994) den Zulauf zu den Fundamentalisten besonders aus den unteren und mittleren Schichten bremsen will. Sowohl unter Bourguiba als auch unter Ben Ali wurden mehrere Programme erwirkt, um die Beschäftigungsquote bei Frauen auf europäisches Niveau zu steigern (derzeit: 33 %), um die gesellschaftliche Gleichstellung stärker voranzutreiben. Das Land schloss zudem mit der Europäischen Union ein Assoziationsabkommen ab, das 2008 in Kraft treten wird und eine Sicherung von Grundrechten für die gesamte Bevölkerung voraussetzt.
Aus den Präsidentschaftswahlen am 24. Oktober 2004 ging Ben Ali mit 94,5 % der Stimmen als Sieger hervor. Er wurde damit für eine vierte fünfjährige Amtszeit gewählt. Eine Verfassungsänderung hatte 2002 die bisherige Beschränkung der Wiederwahl eines Präsidenten abgeschafft. Die Präsidentenpartei Rassemblement Constitutionnel Democratique (RCD) gewann bei den gleichzeitig ausgetragenen Parlamentswahlen eine überragende Mehrheit in der Nationalversammlung. Die einzige echte Oppositionspartei Ettajdid beklagte allerdings verschiedene Formen der Benachteiligung und warf der Regierung Wahlfälschung vor. Die führende Oppositionspartei Parti Democratique Progressiste (PDP) hatte die Wahl von vornherein boykottiert und eine „Farce“ genannt. Weitere wichtige Oppositionsparteien durften nicht teilnehmen, weil sie offiziell verboten sind. Unabhängige Wahlbeobachter wurden nicht zugelassen.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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