Ungarn  10.3 Wirtschaftliche Entwicklung
Das Wachstum der Wirtschaft Ungarns hat sich 2004 auf knapp 4,6 % beschleunigt. Es blieb damit schwächer als der durchschnittliche Produktionsanstieg in den osteuropäischen EU-Beitrittsländern, der auf rund 5 % anzog. Das Wirtschaftswachstum in den bisherigen 15 EU-Mitgliedsstaaten (2,3 %) wurde aber klar übertroffen. Hauptantriebskraft für das Wachstum in Ungarn waren 2004 neben den deutlich höheren Exporten die Investitionen. Der private Verbrauch stieg nicht mehr so stark wie im Vorjahr. 2005 dürfte sich das Wirtschaftswachstum in Ungarn – wie in den anderen Beitrittsländern und in den EU-15-Staaten – im Zuge einer internationalen Konjunkturabschwächung etwas verringern.
Der Anstieg der Verbraucherpreise beschleunigte sich 2004 auf 6,8 %. Das Inflationstempo war damit deutlich höher als in der Gesamtheit der Beitrittsländer (+4 %). Hintergrund für den rascheren Preisanstieg als im Vorjahr waren zum Teil nur „Einmaleffekte“, die durch den Beitritt zur EU bedingt waren, aber auch – wie überall – gestiegene Rohstoffpreise. Außerdem wurden staatlich regulierte Preise angehoben sowie Umsatz- und Verbrauchsteuern erhöht. So wurden zum 1. Januar 2004 drei Mehrwertsteuersätze eingeführt. Der allgemeine Steuersatz beträgt weiterhin 25 %, während der ermäßigte Satz (beispielsweise für Zeitungen, Bücher und Lebensmittel) auf 15 % angehoben und ein weiterer Steuersatz für die bisher steuerbefreiten Medikamente von 5 % eingeführt wurde. 2005 dürften die Preise daher nur noch um rund 3½ % steigen. Zum 1. Januar 2006 wurde der Hauptsatz der Mehrwertsteuer von 25 % auf 20 % gesenkt, um das europäische Mittel von 20 % zu erreichen. Dies geschah auch vor dem Hintergrund der Bemühungen Ungarns, die Maastricht-Kriterien einzuhalten.
Die Arbeitslosenquote konnte in Ungarn bis 2001 knapp unter 6 % gedrückt werden. Sie hält sich seither mit geringen Schwankungen auf diesem Niveau. Abgesehen von Slowenien weist kein anderes ostmitteleuropäisches EU-Beitrittsland eine ähnlich niedrige Arbeitslosenquote aus. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote in den EU-Beitrittsländern lag 2004 demgegenüber bei rund 14 %, die Arbeitslosenquote in den EU-15-Staaten war mit rund 8 % auch höher. Wegen unterschiedlicher Methoden bei der Ermittlung der Arbeitslosenzahl sind die nationalen Arbeitslosenquoten international allerdings nur eingeschränkt vergleichbar.
Schwachpunkte der ungarischen Wirtschaft sind die hohen Defizite im Staatshaushalt und in der außenwirtschaftlichen Leistungsbilanz. Da die Importe 2004 erneut deutlich stärker stiegen als die Exporte, hielt sich das Defizit in der Leistungsbilanz mit rund 9 % des Bruttoinlandsprodukts auf sehr hohem Niveau.
Das Haushaltsdefizit konnte von 2002 bis 2004 von gut 9 % des Bruttoinlandsprodukts auf knapp 5 % halbiert werden. Auch 2005 wird es voraussichtlich weiter gedrückt werden können. Es dürfte aber mit rund 4 % des Bruttoinlandsprodukts noch deutlich über dem Referenzwert von 3 % des BIP liegen, den der Maastricht-Vertrag für eine Qualifikation für die Teilnahme an der Europäischen Währungsunion verlangt.
Auseinandersetzungen über die Haushaltssanierung stehen im Zentrum der ungarischen Wirtschaftspolitik. Sie waren ein Grund für den Rücktritt von Ministerpräsident Péter Medgyessy im Herbst 2004 und sind auch Teil der Kontroversen zwischen der ungarischen Regierung und der Zentralbank.
Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány nannte in seiner Antrittsrede 2004 im Parlament als sein wirtschaftspolitisches Ziel die Übernahme des Euros bis zum Jahr 2010. Dafür wird angesichts des hohen Budgetdefizits eine konsequente Sparpolitik verfolgt werden müssen. Wirtschaftspolitische Themen spielten auch bei den Parlamentswahlen 2006 eine große Rolle, wobei keine Partei damit warb, die Staatsfinanzen mit Steuererhöhungen sanieren zu wollen.
Im September 2006 wurden Details über eine Rede publik, die Gyurcsány nach den Parlamentswahlen im April vor seiner Fraktion gehalten hatte. In dieser Rede sprach Gyurcsány davon, dass die Regierung in den vergangen Jahren nur gelogen habe, um den wahren Zustand der Staatsfinanzen zu verschleiern. Mit dieser Rede wollte Gyurcsány seine Partei dazu bringen, die von ihm geplanten Konsolidierungsmaßnahmen mitzutragen (Mehrwertsteuererhöhung, Praxisgebühr, Entlassungen im öffentlichen Dienst …). Nach Bekanntwerden der Rede wurden in Budapest, aber auch anderen ungarischen Städten, Protestdemonstrationen organisiert, die teilweise in massive Gewalttätigkeiten mündeten.
Entwicklung des BIP und des Außenhandels
Die wichtigen Wirtschaftskennzahlen Bruttoinlandsprodukt und Außenhandel entwickelten sich in den letzten Jahren folgendermaßen:

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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