Chicago  4.4 Entwicklung ab 1900
1900 hatte die Stadt bereits 1,7 Millionen Einwohner, darunter viele irische und osteuropäische Einwanderer. Zu dieser Zeit festigte sich der Ruf Chicagos als Ort der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, der zahlreiche Jobs für jeden bereithielt, der bereit war zu arbeiten. Am meisten fühlten sich von diesem Versprechen die Einwohner schwarzer Hautfarbe aus den Südstaaten angezogen. Allein im Zeitraum 1916 bis 1919 zogen zwischen 50.000 und 75.000 Afroamerikaner in die Stadt[3].
Lange Arbeitszeiten, geringer Lohn und unmenschliche Arbeitsbedingungen führten dazu, dass Chicago die Wiege der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung wurde. Um 1900 hatten sich die meisten Arbeiter in der „American Federation of Labor“ organisiert. Auch die noch heute existente revolutionäre Gewerkschaft „Industrial Workers of the World“ (IWW) wurde hier im Jahre 1905 gegründet. Das Theaterstück „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ von Bertolt Brecht spielt im Chicago der späten 1920er Jahre und thematisiert die schlechten Arbeitsbedingungen und den Kampf der Arbeiter dagegen. Als im Juli 1918 weiße Polizisten sich weigern, bei einer Steinigung eines im See schwimmenden Schwarzen einzuschreiten, folgte ein sechstägiger Aufstand mit 38 Toten.
Die Stadt ist auch seit langem ein Zentrum schwarzer Organisationen – sowohl die von Reverend Jesse Jackson gegründete PUSH (People United to Save Humanity) als auch die militantere „Nation of Islam“ (eigentlich „The Lost-Found Nation of Islam“, auch bekannt als „Black Muslims“) , von Elijah Muhammad 1930 ins Leben gerufen, haben ihren Hauptsitz auf der South Side in Chicago.
Ab 1922 wurde Chicago zur Jazzmetropole. Größen wie Louis Armstrong, Earl Hines oder Jelly Roll Morton belebten die „schwarzen Clubs” und prägten den „Chicago Jazz”. Während der Roaring Twenties erprobte aber auch ein neuer Typ Glücksjäger die große Freiheit Chicagos bis an die Grenzen des Erträglichen. Kriminelle Syndikate unter skrupellosen Gangsterbossen wie Bugs Moran, Johnny Torrio und Al Capone machten sich die Prohibition zunutze und verkauften illegal hergestellten Alkohol. Feuergefechte zwischen Polizei und Gangstern waren zwar nicht so sehr an der Tagesordnung wie viele Filme glauben machen möchten, aber das mafiöse System funktionierte.
Zwischen 1955 und 1976 prägte Richard J. Daley als Bürgermeister nicht nur maßgeblich die Politik der Großstadt, sondern spielte auch in der Demokratischen Partei eine bedeutende Rolle, etwa bei der Unterstützung der Präsidentschaftskandidaturen von John F. Kennedy 1960 und Hubert Humphrey 1969. In seine Regierungszeit fällt das brutale Vorgehen gegen Antikriegsdemonstranten 1968. Während der Democratic National Convention im August 1968 kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen den Vietnam-Krieg. 1969 wurden die Chicago Seven dafür angeklagt.
1979 wurde Jane Burne erste weibliche Bürgermeisterin Chicagos und 1983 Harold Washington erster Bürgermeister schwarzer Hautfarbe. Der Herausforderer des Demokraten Washington bei der Bürgermeisterwahl 1983 war der Republikaner Bernard Epton, der von vielen weißen Demokraten und Basisorganisationen unterstützt wurde. Die Wahlen selbst zeigten sich als Abstimmung nach ethnischer Herkunft. Während Epstein 90 Prozent aller Stimmen in den Stadtbezirken mit vorwiegend weißer Bevölkerung bekam, waren es nur drei Prozent in denen mit überwiegend schwarzer Bevölkerung. Bei Washington waren die Zahlen umgekehrt. Insgesamt siegte Harold Washington mit vier Prozentpunkten Vorsprung. Die Wiederwahl im Frühjahr 1987 gewann er sicher. Er regierte Chicago bis zu seinem Tod im November 1987.
Anfang des 21. Jahrhunderts bestimmt die Skyline Chicagos die flache Prärie im Umkreis hunderter von Kilometern, und der Status der Stadt als kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Region ist unumstritten.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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