Neapel  4.3 Neuzeit
1442 besiegte der aragonesische König Alfonso den letzten Herrscher der Anjou. Unter den Aragonesen wurden die ökonomischen Verbindungen Neapels zur iberischen Halbinsel intensiviert, die Wirtschaft insgesamt gefördert und sie Stadt zu einem Zentrum der italienischen Renaissance. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts schließlich, nach einer nur kurzen Episode französischer Herrschaft, wurden Stadt und Königreich Neapel als Provinz dem spanisch-habsburgischen Weltreich angegliedert. Damit begann die Ära der spanischen Vizekönige von Neapel, unter denen die Stadt den Tiefpunkt ihrer wirtschaftlichen und politischen Entwicklung erreichen sollte.
Innerhalb von nur 100 Jahren war die Bevölkerung der Stadt von rund 40.000 im Jahre 1450 auf etwa 210.000 im Jahre 1550 angewachsen und Neapel war, noch vor Venedig (160.000 Einwohner) und Mailand (70.000 Einwohner) zur größten Stadt Italiens und zur nach Paris zweitgrößten Metropole in Europa geworden. Einem der wenigen fähigen Vizekönige, Pedro Álvarez de Toledo, gelang es in seiner Amtszeit zwischen 1532 und 1553, diesem demographischen Problem noch einigermaßen Herr zu werden, indem er entsprechende städtebauliche Maßnahmen durchführte. So ließ er vorhandene Bausubstanz aufstocken und ein neues Stadtdviertel (quartiere spagnolo, spanisches Viertel) westlich der nach ihm benannten Via Toledo errichten. Realisiert werden konnten diese Maßnahmen aber nur durch eine harte Steuer- und repressive Innenpolitik. So war es auch de Toledo, der die Inquisition in Neapel einführte [3].
Im Übrigen war die Zeit der Vizekönige von einer zunehmenden Verschärfung der Klassengegensätze geprägt. Das Hauptaugenmerk der spanischen Krone lag auf dem iberischen Kernland und den Kolonien. Die wenigen Investitionen, die in der Stadt getätigt wurden, kamen nur den Besitzenden, dem städtischen Adel, dem Klerus und den spanischen Beamten zu Gute, während die einfache Bevölkerung zunehmend verelendete. Nirgendwo im westlichen Europa dieser Zeit waren die sozialen Unterschiede größer ausgeprägt als in Neapel.
Nachdem es schon zur Zeit de Toledos 1547 zu einer ersten Revolte und in der Folge immer mal wieder zu Unruhen gekommen war, entluden sich die sozialen Spannungen schließlich im Masaniello-Aufstand von 1647, der zu einer ersten kurzlebigen neapolitanischen Republik 1647/48 führte. Aufgrund der Machtverhältnisse war die spanische Herrschaft naturgemäß bald wieder hergestellt, und nach einer weiteren kleineren Rebellion 1649 ergaben sich die Neapolitaner in ihr Schicksal. Zu alledem wurde die Stadt 1656 auch noch von einer verheerenden Pest heimgesucht, der rund die Hälfte der Bevölkerung zum Opfer fiel.
Die spanischen Habsburger wurden 1707 durch die österreichischen Habsburger abgelöst, für die Neapolitaner änderte sich dadurch nur wenig.
Eine deutliche Verbesserung der Verhältnisse trat erst ein, als die Bourbonen, die infolge des spanischen Erbfolgekrieges 1712 den spanischen Thron erworben hatten, 1735 auch Süditalien von den Österreichern übernahmen. Unter Karl VII., der das neu formierte Königreich beider Sizilien von 1735 bis 1759 regierte und anschließend von 1759 bis 1788 als Karl III. in Spanien herrschte, wurde eine wirksame Reformpolitik eingeleitet. Karl VII., ein Vertreter der Aufklärung, säuberte die Reihen der korrupten und dekadenten Adeligen und kirchlichen Würdenträger, nahm bauliche Veränderungen im Stadtbild vor und förderte das kulturelle Leben.
Sein Sohn und Nachfolger Ferdinand IV. (mit Unterbrechungen 1759-1825) blieb allerdings deutlich hinter dem Format seines Vaters zurück, so dass sich die Stadt bald wieder den alten Verhältnissen annäherte, bevor die von Frankreich ausgehenden Ereignisse Europa und damit auch Neapel erschüttern sollten.
Anfang 1799 zogen französische Revolutionstruppen unter dem General Jean-Etienne Championnet in Neapel ein, der König war schon zuvor nach Palermo geflohen. Neapolitanische Patrioten proklamierten daraufhin die Parthenopäische Republik, die jedoch bei großen Teilen der ungebildeten Bevölkerung auf nur wenig Gegenliebe stieß. Durch deren Widerstand und das Eingreifen der Engländer unter Horatio Nelson endete das republikanische Experiment schon im selben Jahre wieder. Der Bourbone kehrte nach Neapel zurück und gegen die Republikaner folgten grausame Verfolgungen, denen fast die gesamte intellektuelle Elite Neapels zum Opfer fiel.
Im Winter 1805/06 wurde Ferdinand IV. von Napoléon Bonaparte entmachtet, der zunächst seinen Bruder Joseph (1806-1808) und danach seinen Schwager Joachim Murat (1808-1815) als Könige von Neapel einsetzte. Insbesondere letzterer leitete umfangreiche Sozialreformen ein und gelangte so bei der einheimischen Bevölkerung schnell zu großer Beliebtheit.
Mit dem Untergang Napoléons kam jedoch auch bald das Ende dieser Episode. Ferdinand kehrte nach Neapel zurück und führte eine konsequente Restaurationspolitik durch, die auch die letzten Spuren französischer Reformbemühungen beseitigte. Die Neapolitaner jedoch, die kurzzeitig in den Genuss der Reformen gekommen waren und nun die restaurative Politik der Bourbonen erleiden mussten, begannen sich mit den aus Norditalien kommenden Ideen des Risorgimento zur Schaffung eines unabhängigen Italiens anzufreunden.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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