Sao Paulo  4.2 Entwicklung der Wohnsituation
Das Stadtzentrum von São Paulo hat sich seit den 1960er Jahren gewaltig ausgedehnt und zeigt heute eine imposante Hochhauskulisse. In diesem Bereich haben sich jüngere, äußerst dynamische Zonen entwickelt, während das alte Zentrum seit Anfang der 1970er Jahre zahlreiche seiner zentralen Funktionen verloren hat, die an den Rand der Stadtmitte oder in nahe neue Subzentren abgewandert sind. Zur Abwertung der alten Stadtmitte um die Praça da Sé hat ein Verfall der Bausubstanz durch geringe Investitionen, Immobilienspekulation und zahlreiche nur teilweise genutzte oder leerstehende Gebäude, Lärm, Schmutz, hohe Kriminalität, starke Konzentration sozial an den Rand gedrängter Bevölkerungsgruppen zusammen mit unzureichender Präsenz staatlicher Organisation geführt.
Die öffentlichen und privaten Investitionen konzentrieren sich überwiegend auf neue Standorte und Entwicklungsachsen im Randbereich des Stadtzentrums. So hat sich die Avenida Paulista, die älteste Prachtstraße der Stadt, an der sich der Paulistaner Geldadel, die Großindustriellen und Kaffeebarone ihre Paläste errichten ließen, seit den 1970er Jahren zu einer Hochhausschlucht entwickelt, entlang der Banken und Versicherungen sowie Industrie- und Handelskonzerne mit Bürotürmen die Appartementhochhäuser in die nahegelegenen hochrangigen Wohnquartiere abgedrängt haben.
Nachdem die letzten Baulücken im innerstädtischen und innenstadtnahen Bereich geschlossen wurden, ist São Paulo heute im Umkreis von mehr als 25 Kilometern um das Zentrum durch Wohnquartiere, Gewerbeflächen und Verkehrswege versiegelt, so dass kaum noch innerstädtische Möglichkeiten zur Erholung bestehen, die – wie zum Beispiel der Ibirapuera-Park – an den Wochenenden von der Bevölkerung intensiv genutzt werden.
Die Dynamik durch den immensen Bevölkerungsdruck seit Mitte des 20. Jahrhunderts bewirkte insgesamt eine explosive unkontrollierte Expansion São Paulos. Die Planung konnte mit diesen Veränderungen nicht mithalten. Täglich entstanden an der Peripherie unzählige irreguläre Siedlungen („Loteamentos irregulares“) und illegale Siedlungen („Favelas“). Ein Viertel der Menschen in der Stadt leben in diesen Elendsquartieren.
Heute erstrecken sich rund um ein hochverdichtetes Stadtzentrum weitläufige zersiedelte Peripherien mit geringer städtischer Infrastruktur. Die informelle Bautätigkeit ist für einen überwiegenden Teil der Einwohner São Paulos die einzige Möglichkeit an Wohnraum zu kommen. Die unadäquate Wohnsituation der Bevölkerung und die zahlreichen ökologischen Probleme haben die Regierenden in die Verantwortung gezogen, über eine neue Stadtplanungspolitik nachzudenken.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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