Wien  6.10 Kino und Film
Siehe dazu auch Kino und Film in Österreich und Österreichische Filmgeschichte
Noch bevor am 20. März 1896 in der Wiener Lehr- und Versuchsanstalt für Fotografie und Reproduktionsverfahren die erste belegte öffentliche Kinovorführung mit dem Lumière'schen Kinematographen vor geladenem Publikum stattfand, soll in Josefine Kirbes' Schaubude im Wiener Prater die erste Präsentation von „Lebenden Bildern“ stattgefunden haben. Wien markierte damals den Beginn der Österreichischen Filmgeschichte - es entstanden die ersten Zelt- und später die ersten festen Kinos. Zentren waren dabei die Innere Stadt (z. B. das Homes-Fey-Kino am Kohlmarkt), der Wurstelprater mit dem Münstedt Kino Palast, dem Lustspieltheater (mit bis zu 1000 Besuchern eines der größten) und anderen, sowie die Mariahilfer Straße in Wien-Mariahilf.
Ab 1906 wurden in Wien erste Kurzfilme produziert, wobei die zahlreichen französischen Filmschaffenden damals auch in Wien noch die Überzahl im Vergleich zu den heimischen Aktiven stellten. Ab 1910 setzte mit Gründung der Wiener Kunstfilm-Industrie die österreichische Stummfilmproduktion ein. Es folgte die Sascha-Filmfabrik Wien des böhmischen Grafen Alexander Kolowrat-Krakowsky, 1913 in Liesing (damals eigene Gemeinde, heute 23. Bezirk) gegründet, 1914 im 20. Gemeindebezirk Brigittenau eingerichtet. Im Ersten Weltkrieg entstanden neben zahlreichen Propagandaproduktionen auch die ersten (Kriegs-)Wochenschauen. 1918 wurden landesweit 100 Filme produziert - der Löwenanteil davon in Wien. In den folgenden Jahren erreichte die Filmproduktion auch ihren Höhepunkt. Spitzenjahr war 1920 mit 142 Produktionen. 1923 eröffnete die Vita-Film die „Rosenhügel-Filmateliers“, die noch wesentlich größer und moderner als die Sascha-Film-Studios in Sievering waren. Über ein dutzend weitere Filmproduktionsgesellschaften produzierten damals regelmäßig Filme. Wien war als Sitz von Filmgesellschaften und Produktionsort von Beginn an für fast jeden österreichischen Film verantwortlich und zeitweise auch europaweit von Bedeutung. Unumstrittene Hauptstadt der deutschsprachigen Filmproduktion war aber seit je her Berlin, welches in den 1920er-Jahren auch zur „Filmhauptstadt Europas“ avancierte.
Mit Sodom und Gomorrha wurde 1923 am Laaer Berg ein Film gedreht, der wegen seiner aufwändigen Szenen, bei denen sogar Darsteller ums Leben kamen, für Aufsehen sorgte. Im auch für Filmproduzenten äußerst beliebten Prater wurden nach während den unterdrückenden Zuständen im Ständestaat mehr Filme als je zuvor produziert. Die Umstellung von Stumm- auf Tonfilm führt ab 1929 zu Demonstrationen der bis dahin eingesetzten Kinomusiker und zum Untergang zahlreicher Grätzlkinos, die sich die Umbaukosten nicht leisten konnten. Dennoch stieg die Zahl der Wiener Kinos weiter an, auf 222 im Jahr 1939, als die Nationalsozialisten bereits sämtliche Kinos mit jüdischgläubigen Besitzern „arisiert“ hatten. Mit der schrittweisen Enteignung der Sascha-Film ab 1935 entstand aus dieser 1938 die Wien-Film, die mittels der Cautio Treuhandgesellschaft der Reichsfilmkammer unterstand, und Wien neben Berlin und München zur Hauptproduktionsstätte von Propagandafilmen werden ließ.
Bei der „Entnazifizierung“ durch die Alliierten im besetzten Nachkriegswien gingen zahlreiche Kinos unberechtigterweise in die Stadteigene Kinobetriebsanstalt (Kiba) über. Zugleich setzte mit Gründung neuer Filmgesellschaften, wie zum Beispiel der Belvedere-Film 1947, die Heimat- und Musikfilm-Produktion wieder an, um zu ihrem absoluten Höhepunkt in den 1950er- und 1960er-Jahren aufzusteigen. Mitten drin wieder viele Wiener Schauspieler, wie Hans Moser, Peter Alexander, Waltraud Haas, Romy Schneider, Hans Holt und Nadja Tiller – um nur ein paar zu nennen. Einer der bedeutendsten Regisseure zu dieser Zeit war Franz Antel – ebenfalls ein Wiener. 1948 wurde mit „Der dritte Mann“ ein mit internationalen Starschauspielern besetzter Spionagefilm abgedreht, der Wien weltweit einen Popularitätsschub verschaffte und als Nebeneffekt dem Sieveringer Zitherspieler Anton Karas zu unverhoffter Bekanntheit verhalf.
Doch die 1960er-Jahre waren auch vom einsetzenden Kinosterben geprägt. Existierten 1953 noch über 200 Kinos in der Stadt, blieben 1983 lediglich 69 Kinos mit 96 Sälen über. Mit steigender Verbreitung von Multiplex-Kinos ab den 1980er-Jahren konnte zwar der Trend der sinkenden Kinoanzahl nicht gestoppt werden, doch stieg in den 1990ern die Anzahl der Säle auf 191 im Jahr 2001 wieder an. Wegen des nunmehrigen Überschusses und geringerer Auslastung sank die Zahl auf Kosten weiterer Kinos bereits 2002 wieder auf 166 ab.
Das 1900 gegründete Erika-Kino in der Kaiserstraße galt bei seiner Schließung im Jahr 1999 als ältestes noch betriebenes Kino der Welt. Heute ist es ein Theaterspielraum. Seither gelten die 1905 gegründeten, im 14. Wiener Gemeindebezirk befindlichen Breitenseer Lichtspiele als das älteste noch bespielte Kino Wiens.

03.06.2007 - Seiteninhalt steht unter der
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